Glossar
Als sog. sichernde Massnahme dient die Verwahrung - im Gegensatz zu den therapeutischen Massnahmen - nicht in erster Linie der Behandlung der verurteilten Person, sondern dem Schutz der Öffentlichkeit vor der Begehung weiterer schwerer Straftaten. Die Verwahrung ist aufgrund der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit stets ultima ratio: Sie darf nur angeordnet werden, wenn eine Freiheitsstrafe oder therapeutische Massnahme nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten der Person zu begegnen und es sich um eine Katalogtat (z.B. Mord, schwere Körperverletzung, Vergewaltigung) gemäss Art. 64 Abs. 1 StGB handelt.
Die ausgesprochene Freiheitsstrafe wird vorabvollzogen, d. h. der Vollzug der Verwahrung erfolgt erst nach der Verbüssung der Freiheitsstrafe.
Die Verwahrung wird erstmals nach zwei Jahren, danach jährlich überprüft. Eine bedingte Entlassung ist – wie auch die Gewährung von anderen Vollzugslockerungen – möglich, jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft (siehe bedingte Entlassung).
Die Regelung der Zuständigkeit zur Vollstreckung von freiheitsentziehenden Urteilen ist in den Kantonen sehr unterschiedlich. Faktisch ist in allen Kantonen eine dem entsprechenden Departement (Justiz- und Polizei- oder Sicherheitsdepartement) untergeordnete administrative Behörde als Vollzugsbehörde eingesetzt, die für den Vollzug von Urteilen zuständig ist. Die Vollzugsbehörden haben die sog. Vollzugskompetenz. Sie erlassen die für den Vollzug des Urteils erforderlichen Verfügungen und treffen die dafür erforderlichen Anordnungen. Die Kantone Genf, Tessin, Waadt und Wallis verfügen zudem über spezialisierte Straf- und Massnahmenvollzugsgerichte oder Straf- und Massnahmenvollzugsrichter (Tribunal oder Juge d’application des peines), die einen Teil der behördlichen administrativen Aufgaben übernehmen und z.B. Entscheide über Vollzugslockerungen treffen.
Der Artikel 74 StGB nennt für den Straf- und Massnahmenvollzug zwei Grundsätze:
1. Die Menschenwürde der inhaftierten Person ist zu achten.
2. Die Rechte der inhaftierten Person dürfen nur so weit beschränkt werden, als der Freiheitsentzug und das Zusammenleben in der Vollzugseinrichtung es erfordern.
Gemäss Art. 75 Abs. 1 StGB hat der Strafvollzug das soziale Verhalten zu fördern, insbesondere die Fähigkeit, straffrei zu leben. Der Strafvollzug hat demnach:
- den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit als möglich zu entsprechen (Normalisierungsprinzip);
- die Betreuung der Gefangenen zu gewährleisten (Fürsorgepflicht);
- den schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken (Entgegenwirkungsprinzip);
- dem Schutz der Allgemeinheit, des Vollzugspersonals und der Mitgefangenen angemessen Rechnung zu tragen (Sicherungsprinzip)
Der Europarat hat in der “Empfehlung des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die europäischen Strafvollzugsgrundsätze” Mindestgrundsätze verabschiedet, welche für die Schweiz als Mitgliedstaat ebenfalls gelten. Im Gegensatz zum Artikel 75 StGB gelten diese für alle Formen des Freiheitsentzugs.
FR: Principes de l’exécution des peines et mesures
IT: Principi relativi all’esecuzione delle pene e delle misure
Vollzugsöffnungen sind Lockerungen im Sanktionvollzug wie z.B. ein Urlaub oder die Versetzung in den offenen Vollzug. Nicht als Vollzugsöffnungen gelten beispielsweise: polizeiliche Zuführungen von inhaftierten Personen (z.B. zu Befragungen, Arztterminen) und Transporte (siehe Art. 4, Richtlinie betreffend die Ausgangs- und Urlaubsgewährung, Strafvollzugskonkordat NWI-CH, Art. 5 des «Règlement du 31 octobre 2013 concernant l’octroi d’autorisations de sortie aux personnes condamnées adultes et jeunes adultes» des lateinischen Konkordats).
Vollzugsöffnungen sollen den Bezug zum gesellschaftlichen Leben aufrechterhalten und der Pflege des persönlichen sozialen Umfelds dienen.
Die Kompetenz für die Planung und die Bewilligung von Vollzugsöffnungen liegt bei der Vollzugsbehörde. In gesetzlich vorgesehenen Fällen (vgl. Art. 75a StGB) muss die Kommission gemäss Art. 62d Abs.2 StGB beigezogen werden.
Die Planung der Vollzugsöffnungen erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der Institutionsleitung sowie der betroffenen eingewiesenen Person (vgl. Art. 84 Abs. 6, Art. 90 Abs. 4 StGB). Die Bewilligung kann an die Institution delegiert werden. Die inhaftierte Person kann jederzeit einen Antrag auf Vollzugsöffnungen stellen.
Der Vollzugsplan ist ein Planungsinstrument zwecks Wiedereingliederung und Rückfallprävention. Orientiert am individuellen Interventionsbedarfs ist die Institution in der Pflicht, mit der eingewiesenen Person individualisierte Vollzugsziele festzulegen und diese in einem Vollzugsplan festzuhalten. Zudem überprüft sie diese in regelmässigen Abständen und aktualisiert sie gegebenenfalls. Die Erstellung eines Vollzugsplans setzt eine aktive Mitarbeit der inhaftierten Person voraus.
Im Strafvollzug enthält der Vollzugsplan namentlich Angaben über die angebotene Betreuung, die Arbeits- sowie die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die Wiedergutmachung, die Beziehungen zur Aussenwelt und die Vorbereitung der Entlassung (Art. 75 Abs. 3 StGB).
Im Massnahmenvollzug werden ergänzend Angaben zur Behandlung der psychischen Störung, der Abhängigkeit oder der Entwicklungsstörung der eingewiesenen Person sowie zur Vermeidung von Drittgefährdung gemacht (Art. 90 Abs. 2 StGB).
Der Vollzugsplan ist zwischen der Einrichtung und der eingewiesenen Person auszuarbeiten und bedarf der regelmässigen Überprüfung und Anpassung entsprechend der eingetretenen Veränderungen bei der inhaftierten Person während des Vollzugsverlaufs (vgl. Art. 75 Abs. 3 StGB, Art. 90 Abs. 2 StGB).
Die Planung des gesamten Vollzugs einer Sanktion liegt in der Zuständigkeit der Vollzugsbehörde. Dazu legt sie in enger Absprache mit der jeweiligen Einrichtung und der betroffenen Person fest, wie der progressive Sanktionenvollzug ausgestaltet sein soll. Unter Einbezug der Prognose, Rückfallgefahr und Möglichkeiten zur Wiedereingliederung wird in der Vollzugsplanung festgehalten, welche Vollzugsöffnungen zu welchem Zeitpunkt angestrebt werden können.
Die Vorbereitungshaft (Art. 75 AIG) ist eine Form der Administrativhaft. Sie dient dazu, ausländische Staatsangehörige ohne Kurzaufenthalts-, Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung für die Dauer des Entscheidverfahrens über ihre Wegweisung oder eventuelle Landesverweisung im Rahmen eines strafrechtlichen Verfahrens festzuhalten. Die Person wartet in Haft auf den Entscheid der Behörden.
Eine sich in Untersuchungs- oder Sicherheitshaft befindende Person kann bei der Verfahrensleitung einen Antrag um einen vorzeitigen Antritt der Freiheitsstrafe oder der freiheitsentziehenden Massnahme stellen. Die Gewährung setzt voraus, dass das Untersuchungsverfahren fortgeschritten und die Beweislage weitgehend geklärt ist. Mit dem Eintritt in die Vollzugsanstalt tritt die beschuldige Person ihre Strafe oder Massnahme an und untersteht dem ordentlichen Vollzugsregime (Art. 236 Abs. 4 StPO). Damit wird ein Haftregime ermöglicht, welches z.B. hinsichtlich Arbeit, Beschäftigung, Freizeit oder Sozialkontakte besser auf die persönliche Situation und Bedürfnisse der Person zugeschnitten ist als in der Untersuchungshaft.
Für die beschuldigte Person gilt im vorzeitigen Straf- oder Massnahmenvollzug die Unschuldsvermutung, da sie noch nicht von einem Gericht verurteilt wurde.