Ältere und kranke Menschen im Justizvollzug

Durch die Zunahme der Personen, die zu einer stationären Massnahme oder einer Verwahrung verurteilt werden und durch Tendenzen zu längeren Freiheitsstrafen, steigt der Anteil älterer Personen im Freiheitsentzug. Immer mehr Menschen altern und sterben im Freiheitsentzug.

Die Infrastruktur und die Betreuung in Hafteinrichtungen sind traditionellerweise nicht auf ältere oder betagte Inhaftierte ausgerichtet. Der Vollzugsalltag stellt körperlich Schwache nicht selten vor grosse Probleme.

Ältere Inhaftierte sind in der Regel stärker sozial isoliert als jüngere Personen und verfügen inner- und ausserhalb der Institution häufig über weniger Bezugspersonen. Aufgrund von Altersgebrechen und -krankheiten nimmt die bereits eingeschränkte Autonomie älterer Eingewiesener weiter ab.

In Bezug auf ältere und betagte Inhaftierte besteht für den Justizvollzug in mehrfacher Hinsicht Handlungsbedarf. Zur Diskussion stehen etwa die Anpassung von Infrastruktur sowie neue Betreuungskonzepte oder die Prüfung von Lockerungen des Vollzugsregimes bei der Aussicht auf eine lebenslange Haft.

Der Bestand an hilfs- und pflegebedürftigen älteren Männern und Frauen im Massnahmenvollzug wird sich bis ins Jahr 2035 verdoppeln oder gar verdreifachen.

«Wenn sich ein älterer Gefangener mit dem Rollator fortbewegen muss, nicht mehr selbst aus dem Bett steigen kann und Schwierigkeiten hat, sich im Haftalltag zurechtzufinden, gelangen die Vollzugseinrichtungen heute an ihre Grenzen. Angesichts steigender Zahlen von hilfs- und pflegebedürftigen Seniorinnen und Senioren im Freiheitsentzug sind Lösungen gefragt, die eine humane und adäquate Betreuung gewährleisten, ohne die Sicherheit des Personals und der Öffentlichkeit zu vernachlässigen.» 
Christoph Urwyler, Projektleiter SKJV

Analyse des SKJV

Eine im Jahr 2019 publizierte und im 2021 aktualisierte Analyse des SKJV gibt erstmals Auskunft über den Bestand und die Versorgung von Menschen über 60 Jahren im Justizvollzug. Auf Basis einer schweizweiten Erhebung bei 66 Einrichtungen des Justizvollzugs wird die Gesundheit der Senioren im Vollzug beleuchtet und die Ressourcen ermittelt, die heute für ihre Betreuung vorhanden sind. Mittels statistischer Daten wird zudem eine Prognose erstellt über die künftige Entwicklung dieser Altersgruppe bis im Jahr 2035.

Voraussichtliche Entwicklung der Gefangenenpopulation in der Alterskategorie 60+ (Analyse)

 

Ältere und kranke Menschen im Justizvollzug (Bericht)

Senioren im Justizvollzug

Mit einem Anteil von rund 5% bilden ältere Menschen im Justizvollzug eine Randerscheinung. Ihre Gesundheit

Infrastrukturen für ältere Inhaftierte fehlen oft

Viele Einrichtungen verfügen über keine spezielle Infrastruktur für die adäquate Versorgung von älteren Inhaftierten. Nur eine Minderheit besitzt eine spezielle Pflegeausstattung (z.B. WC/Dusche, rollstuhlgängige Gebäude) oder ein an die Bedürfnisse von älteren Menschen angepasstes Angebot (z.B. altersgerechte Mahlzeiten, Arbeitsprogramm, Präventionskurse). Das Personal ist aber für die Bedürfnisse von älteren Inhaftierten sensibilisiert und nimmt sich mehr Zeit für ihre Betreuung. Bei erhöhter Pflegebedürftigkeit gelangen die Einrichtungen indes an ihre Grenzen. In solchen Fällen können, sofern die Sicherheit es zulässt, Spitäler, Kliniken oder forensische Heime die Pflege von gebrechlichen Senioren besser leisten. 

Zukünftig mehr alte Menschen im Freiheitsentzug

Seit den 1980er-Jahren ist bei den 60 und mehr Jahre alten Personen im Freiheitsentzug ein klarer Zuwachs zu verzeichnen. Das SKJV hat berechnet, dass dieser Trend sich in Zukunft fortsetzen und akzentuieren wird: Bis im Jahr 2035 wird die Zahl der Senioren im Straf- und Massnahmenvollzug von 267 Personen im Jahr 2018 auf 390 Personen ansteigen (+48%). Andere Prognosemodelle schätzen den Anstieg der Seniorenpopulation gar auf 498 Personen (+87%). Diese Prognose basiert auf neuen BFS-Daten und bestätigt die Ergebnisse des SKJV-Berichts, welcher im Jahr 2019 publiziert wurde. Zusätzlich hat die neue Analyse die Entwicklung der älteren hilfs- und pflegebedürftigen Inhaftierten prognostiziert: Bis ins Jahr 2035 wird der Bestand an besonders gebrechlichen Frauen und Männern im Freiheitsentzug von 24 Personen im Jahr 2018 auf rund 35 bis 45 Personen ansteigen, was einem Anstieg von 43% bis 75% entspricht.