Übergangsmanagement

Wege in die Freiheit

Offenes Tor

Seit etwa zehn Jahren wird diskutiert, wie die berufliche und soziale Wiedereingliederung von Strafentlassenen bestmöglich angegangen werden kann, um so einen Beitrag zur Verminderung der Rückfallgefahr zu leisten. Eine solche optimale Begleitung des Wiedereingliederungsprozesses von strafverurteilten Personen bezeichnet man als «Übergangsmanagement». Im deutschen Sprachraum wurde der Fachbegriff zunächst in der Pädagogik verwendet, wo er die Gestaltung die Übergänge von Jugendlichen zwischen Schule und Arbeitsmarkt beschreibt — Momente, die spezifische Entscheidungen, den Aufbau von Netzwerken und besondere Fähigkeiten (wie das Erstellen von Bewerbungsunterlagen) erfordern, und die sich nicht selten als hindernisreich erweisen. Zum Übergangsmanagement von der Schule in die Arbeitswelt vgl. Lex et al. 2006.

Unter dem Begriff Übergangsmanagement werden Konzepte zur Erreichung einer nachhaltigen Wiedereingliederung inhaftierter Menschen zusammengefasst.

Der grundlegenden Idee, dass in der fragilen Phase solcher Übergänge eine zielgruppenspezifische Unterstützung der Betroffenen ausschlaggebend ist, folgt auch das Übergangsmanagement im Kontext des Vollzugs strafrechtlicher Sanktionen. Unter dem Begriff verstanden werden strukturierte Konzepte zur Erreichung einer nachhaltigen Wiedereingliederung inhaftierter Menschen zurück in die Gesellschaft und damit der Ausstieg aus der Straffälligkeit.

Anstalten Bellechasse Sugiez

Oft sind Menschen im Freiheitsentzug in mehreren Lebensbereichen mit Schwierigkeiten konfrontiert und weisen einen vielseitigen Unterstützungsbedarf auf. Ihr soziales Umfeld ist häufig nicht ausreichend protektiv und es bestehen problematische Aspekte (u.a. fehlende Erwerbsarbeit, Drogen- und Alkoholabhängigkeiten, Schulden, fehlender Wohnraum sowie Konflikte in Partnerschaft und Familie). Falls solche Themen kriminogene Risikofaktoren darstellen, sind sie bereits während des Sanktionenvollzugs anzugehen. Auch oder gerade nach der Entlassung aus dem Freiheitsentzug ist eine weiterführende Unterstützung der Betroffenen aus deliktpräventiver Hinsicht ausschlaggebend.

Eine solche Unterstützung ist nicht nur aus humanen und sozialstaatlichen Gründen angezeigt, sondern wird auch von der Überzeugung getragen, dass damit die hohen Rückfallraten nach der Entlassung aus dem Strafvollzug gesenkt werden können. Die Forschung zeigt europaweit, dass die Rückfallgefahr gerade in den ersten Monaten nach der Haftentlassung besonders hoch ist. Für Deutschland siehe Jehle 2007. Dies deutet darauf hin, dass der Übergang in die Freiheit in vielen Fällen misslingt, was einerseits sicherheitspolitische Risiken nach sich zieht und andererseits auf Verbesserungspotential in der Straffälligenarbeit hindeutet.

Herausforderungen

Damit anspruchsvolle Übergange während des Vollzugs freiheitsentziehender Sanktionen bestmöglich gelingen, müssen die beteiligten Personen und Institutionen koordiniert zusammenarbeiten. Die Umsetzung vernünftiger Konzepte zur Kooperation zwischen den Institutionen des Sanktionenvollzugs sowie Institutionen des Gemeinwesens wird häufig durch organisatorische, kulturelle und strukturelle Hürden erschwert (u.a. fehlende Zuständigkeiten und Kooperationsbereitschaft, erschwerter Informationsfluss durch Datenschutz).

Vollzugslockerungen werden häufig nicht in dem Masse gewährt, wie es für das Leben nach der Entlassung sinnvoll wäre.

Aufgrund belastender Lockerungsprognosen, d.h. der Befürchtung, dass die strafverurteilte Person im Rahmen gewährter Vollzugsöffnungen oder Settingslockerungen weitere Straftaten begehen könnte, werden Vollzugsprogressionen als Bewährungsfelder häufig nicht in dem Masse gewährt, wie es für eine ausreichende Vorbereitung auf das Leben nach der Entlassung sinnvoll wäre. Dem häufig komplexen Unterstützungsbedarf verurteilter Personen kann ferner oftmals durch fehlende individuell geeignete Interventionsprogramme nicht ausreichend begegnet werden.

Eine Weiterbetreuung durch den Justizvollzug nach der Entlassung aus dem Freiheitsentzug ist gesetzlich nur dann vorgesehen, wenn die oder der Gefangene bedingt entlassen und für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet wurde. In allen anderen Fällen (z.B. im Falle einer vollständigen Verbüssung der Freiheitsstrafe) kann sich daher die Reintegration als schwierig gestalten, fehlt doch in diesen Fällen die extramurale sozialarbeiterische Begleitung.

Behörden des Gemeinwesens werden dem oftmals komplexen Unterstützungsbedarf strafverurteilter Personen häufig nicht gerecht.

Wie eingangs erwähnt, treten Schwierigkeiten oftmals dann virulent auf, wenn der aus dem stark geregelten und strukturierten Umfeld des Freiheitsentzugs entlassene Straftäter wieder Eigenverantwortung übernehmen und sich mit seinen Problemen an Institutionen und Behörden des Gemeinwesens wenden muss.

Auch wenn es grundsätzlich zu begrüssen ist, dass strafverurteilte Personen nach ihrer Entlassung den gleichen Zugang zu staatlichen Dienstleistungen zusteht wie den übrigen Bürger und Bürgerinnen, ist festzuhalten, dass die Institutionen und Behörden des Gemeinwesens dem oftmals komplexen Unterstützungsbedarf dieser Menschen mangels Fachwissen und Ressourcen häufig nicht gerecht werden können. Dies kann — insbesondere in administrativen Belangen — zu einer Überforderung des Strafentlassenen führen.

Leere Strasse

Forschung

Die Forschung zur Straftäterbehandlung lässt einige Rückschlüsse auf die Wirksamkeit eines gelungenen Übergangsmanagement zu. Untersuchungen zur Wirkung von speziellen Programmen zur Wiedereingliederung nach der Entlassung aus dem Strafvollzug zeigen, dass solche Programme die Rückfallwahrscheinlichkeit moderat reduzieren können. Vgl. im Überblick Pruin 2016. Grössere Erfolge erzielen diejenigen Programme, die während dem Freiheitsentzug begonnen und nach der Entlassung fortgeführt werden.

Der Einbezug des Betroffenen wird als wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Wiedereingliederung angesehen.

Versucht wird zudem, die Schlussfolgerungen der rückfallpräventiven Straffälligenarbeit, basierend auf den empirisch fundierten Wirksamkeitsprinzipien des Risk-Needs-Responsivity-Modells von Andrews und Bonta (2010), auf das Übergangsmanagement zu übertragen. Eine konsequente Umsetzung des RNR-Modells führt zu einer Ausrichtung aller Interventionen am Rückfallrisiko und den Problembereichen der strafverurteilten Personen und zur Bevorzugung kognitiv-behavioraler Methoden bei ihrer Begleitung und Betreuung sowohl vor als auch nach der Entlassung aus dem Freiheitsentzug.

Die Desistance-Forschung beschäftigt sich sodann in erster Linie mit der Frage, warum und auf welche Weise strafverurteilte Personen von kriminellem Verhalten Abstand nehmen. Einen Überblick liefert die Literaturanalyse von Hofinger 2012. Aus den Forschungsergebnissen ergibt sich, dass einerseits die eigene Motivation der Betroffenen zur Lebensveränderung, andererseits gute soziale Strukturen nach der Entlassung aus dem Freiheitsentzug sowie die Ausrichtung des Übergangsmanagement an den individuellen Unterstützungsbedürfnissen der betroffenen Person vor, während und nach der Entlassung aus dem Freiheitsentzug eine ausschlaggebende Rolle auf dem Weg in ein straffreies Leben darstellen. Der Einbezug des Betroffenen und seiner Sichtweise werden dabei als eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Wiedereingliederung angesehen.

Blick zum Fenster aus Regionalgefängnis Bern

Praxis

Je nach Ausgangslage einer Region oder eines Landes werden unterschiedliche Ansätze des Übergangsmanagements beim Vollzug strafrechtlicher Sanktionen gefördert. Schwerpunkte bilden individuell abgestimmte Programme zur stufenweisen Wiedereingliederung von Strafentlassen in den Arbeitsmarkt und das soziale Leben in Freiheit sowie Konzeptionen für die verbesserte Zusammenarbeit zwischen den am Wiedereingliederungsprozess der Entlassenen beteiligten Institutionen.

Anlässlich eines erkenntnisreichen Erfahrungsaustauschs, der im Dezember 2015 im Justizministerium in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) stattfand, stellten Praktiker und Praktikerinnen aus den Niederlanden, Norwegen, Dänemark, Irland, Deutschland und der Schweiz — als Anregung für ein verbessertes Übergangsmanagement beim Vollzug strafrechtlicher Sanktionen — insgesamt zehn erprobte Praxisbeispiele vor.

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10 Praxisbeispiele

Portraits von Fachspezialisten

Community Return Programme, Irland

Irland führte im Jahr 2008 das Community Return Programme ein. Strafgefangene, die an diesem Programm teilnehmen, werden vorzeitig entlassen, wenn sie gemeinnützige Arbeit leisten. Durch diese Verknüpfung wird zum einen eine strukturierte Rückkehr in das (Arbeits-)Leben in Freiheit gefördert, zum anderen leisten die Straftäter in Form von Arbeit einen Wiedergutmachungsbeitrag an die Gesellschaft. Es fallen zum einen weniger Kosten im Gefängnis an, zum anderen werden Kosten in der  Zivilgesellschaft eingespart.

Um am Programm teilzunehmen, stellen die Gefangenen einen Antrag, der von der Anstaltsleitung und den Fachdienste im Rahmen einer Bedarfs- und Risikoeinschätzung geprüft wird. Wird ein Gefangener in das Programm aufgenommen, übernimmt das Team des Community Return Programme (bestehend aus Vertreter des Strafvollzugs und der Bewährungshilfe) die Fallführung. Damit wird eine optimale Abstimmung zwischen den beiden Behörden bei der durchgängigen Betreuung der Programmteilnehmenden ermöglicht.

Über die gemeinnützige Arbeit hinaus werden die Strafverurteilten intensiv unterstützt, insbesondere bei der Suche nach einer geeigneten Ausbildung und Arbeit. Eine der grössten Herausforderung ist das Finden einer stabilen Wohnform. Die Regeln des Programms sind strikt: Fehlt ein Teilnehmer zweimal unentschuldigt bei der Arbeit, hat er das Programm zu verlassen.

Seit der Einführung des wissenschaftlich begleiteten Programms ist die Zahl der vorzeitig aus dem Strafvollzug Entlassenen deutlich angestiegen. Der grösste Anteil der Teilnehmenden (40%) wird von Drogenstraftätern gestellt. Die Fachleute erleben die Teilnehmenden als sehr motiviert. Die Evaluation der ersten 26 Monaten ergab, dass 89% der Teilnehmer das Programm bereits erfolgreich abgeschlossen hatten oder an diesem weiterhin teilnahmen.

«It’s about prisoners returning to the community, but it’s also about giving reparation to the community.»

Zusammenarbeit mit dem Gemeinwesen, Niederlande

In den Niederlanden wurde 2005 ein Konzept entwickelt, das alle Gefangene im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung mit den Gemeinden erfasst, unabhängig davon, ob sie nach der Entlassung von der Bewährungshilfe unterstützt werden oder nicht. Das Projekt «Nazorg ex-gedetineerden» ist eine vertraglich festgehaltene Kooperationsvereinbarung zwischen den Institutionen des Freiheitsentzugs und aller niederländischen Gemeinden, die in erster Linie die durchgängige Betreuung von Personen im Freiheitsentzug anstrebt und die hierfür notwendige Übermittlung relevanter Informationen ermöglicht.

Jede Gemeinde benennt ein Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin für die Betreuung von Personen, die aus dem Freiheitsentzug entlassen werden. Diese werden von den Strafanstalten und Gefängnissen frühzeitig eingebunden und sind für Fragen des Wohnens, der Arbeit, der Gesundheit und der hierfür notwendigen Unterlagen (Ausweise, Formulare, u.a.) zuständig. Das Justizministerium pflegt dieses Netzwerk und koordiniert die regelmässigen Treffen der Kontaktpersonen auf Gemeindeebene mit der oder dem zuständigen Mitarbeiter der Strafanstalten und den Gefängnissen.

Mit der systematisierten Zusammenarbeit des Strafvollzugs mit dem Gemeinwesen wird eine starke Einbindung und Selbstverpflichtung der Gemeinden gewährleistet. In den Niederlanden sind kurze Freiheitsstrafen unter sechs Monate die Regel. Die Gemeinden verstehen, dass sie auch während der kurzen «Abwesenheit» der in der Gemeinde wohnhaften Personen weiterhin für deren Sozialleistungen zuständig bleiben.

«Together, the prison employee and the municipality employee try to solve these problems.»

Safety houses, Niederlande

Für die Zusammenarbeit und die Koordinierung von Personen, die besonders komplexe Fälle darstellen, haben die Niederlande das Konzept der Safety houses entwickelt. Es handelt sich dabei um eine Institution, die auch für Personen, die aus dem Freiheitsentzug entlassen werden und deren Situation sich in Freiheit erfordernisreich darstellt, zuständig ist. Im ganzen Land gibt es 33 Safety houses; sie werden zentral, vom Justizministerium, finanziert.

Die Institutionen, die für die soziale und berufliche Wiedereingliederung der betroffenen Personen zuständig sind (unter anderem Polizei, Staatsanwaltschaft, Bewährungshilfe, Strafvollzug und drogentherapeutische Einrichtung) kommen zu einer Fallgruppenkonferenz zusammen und stimmen die Verfahrensschritte ihrer Arbeit miteinander ab und entwickeln geeignete Interventionen. Die betroffene Person, deren Wiedereingliederung in der Gesellschaft komplex erscheint, kann an der Konferenz teilnehmen und ihre Meinung einbringen.

«We try to consider the different perspectives on the complex cases to offer the best mix of interventions.»

Zusammenarbeit mit dem Gemeinwesen, Dänemark

In Dänemark hat man vor einiger Zeit erkannt, dass die jeweiligen Behörden und Institutionen des Strafvollzugs, der Bewährungshilfe und des Gemeinwesens in ihren Bereichen gut arbeiten, die Zusammenarbeit jedoch nicht ausreichend in einander überfliesst.

Seit 2010 existiert mit dem køreplan for god losladelse eine verbindliche  Kooperationsvereinbarung aller an der Entlassung von Personen aus dem Strafvollzug beteiligten Institutionen. Hervorzuheben ist hier der Grundsatz, dass eine Organisation ihre Zuständigkeit und Verantwortung für die strafverurteilte Person,  erst verliert, wenn die nächste zuständige Organisation die Übernahme der Fallführung bestätigt hat.

Die Ansprechpartner in den Gemeinden werden durch eine verantwortliche Person aus dem Justizministerium betreut. Letztere pflegt auch das Netzwerk der Fachleute, die bei der Wiedereingliederung der strafentlassenden Person beteiligt sind.

Nach den Erfahrungen in Dänemark kann auch in kurzer Zeit, nach einer kurzen Freiheitsstrafe zum Beispiel, eine optimale Entlassungsvorbereitung aufgegleist werden.

«The idea has been to reach more groups of prisoners, even including those who are released directly from court.»

Betreutes Wohnen, Dänemark

Eine besondere Rolle beim Konzept der Entlassung von strafverurteilten Personen in Dänemark spielen Übergangswohnheime, die als Pensionen bezeichnet werden. Die Fachleute berichten positiv, insbesondere über die Pension Skejby in denen Haftentlassene zur Wiedereingliederung mit nicht straffälligen Menschen, beziehungsweise Studierenden zusammen wohnen oder sogar mit ihren Familienmitglieder zusammenleben, so in der Pension Engelsburg.

Aufgrund der limitierten Plätze in diesen Einrichtungen wird ein Bruchteil der Strafentlassenden Haftentlassenen von diesem Übergangsangebot berücksichtigt; immerhin kann diese Form der Betreuung einigen insofern besonders bedürftigen Gefangenen angeboten werden.

«The clients are totally equal, ordinary citizens, once outside. That is why there is a very close cooperation with the municipalities.»

Instar, Meckenburg-Vorpommern

In Deutschland, das aufgrund der föderalen Struktur unterschiedliche Konzepte zum Übergangsmanagement bereithält, ist die Umgestaltung der Verantwortlichkeiten im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern hervorzuheben: Hier wurde per Gesetz ein gesondertes Landesamt für ambulante Straffälligenarbeit eingerichtet, das die Koordination zwischen Strafvollzug und Bewährungshilfe regelt und für die Unterstützung der Personen nach deren Entlassung aus dem Freiheitsentzug verantwortlich ist.

Konkrete Vorgaben für die Zusammenarbeit (wie zum Beispiel der Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme oder Vorgaben für die Informationsweitergabe) sind in einem Qualitätshandbuch geregelt. Dadurch sind bestimmte Standards etabliert und einheitliche Abläufe gewährleistet. Der Informationsaustausch zwischen Bewährungshilfe und Strafvollzug wird durchgängig gepflegt. Das betrifft nicht nur Informationen durch den Strafvollzug an die Bewährungshilfe am Ende der Freiheitsstrafe, auch die Bewährungshilfe gibt ihre Informationen weiter, wenn eine Person, die vormals von der Bewährungshilfe unterstützt worden ist, aufgrund einer neuen Straftat wieder eine Freiheitsstrafe zu verbüssen hat.

Um datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu genügen, muss der Gefangene in diesem Fall allerdings eine Schweigepflichtsentbindung unterschreiben. In der Phase der Entlassung finden gemeinsame Gespräche zwischen den Mitarbeitenden des Strafvollzugs, der Bewährungshilfe und des Gefangenen statt.

Auch strafverurteilte Personen, die ohne Bewährungshilfe aus dem Freiheitsentzug entlassen werden (es handelt sich dabei beinahe um die Hälfte der Strafentlassenen) werden bei der Bearbeitung ihrer Problemfelder unterstützt, namentlich durch das Programm «Gut begleitet».

«Für den Gefangenen ist ersichtlich, dass die Justiz ein einheitliches System darstellt. Er erfährt durchgehende Unterstützung aber auch Kontrolle.»

Beratungszentrum Jugendstrafanstalt, Berlin

Im Berliner Justizvollzug wird jeder Strafgefangene ab dem ersten Tag der Freiheitsstrafe von einem für ihn zuständigen Sozialarbeiter oder einer Sozialarbeiterin auf die Entlassung vorbereitet, teilweise mit sehr praktischen Hilfestellungen wie der Bereitstellung einer Sammelmappe für alle während des Strafvollzugs anfallenden Dokumente.

Berlin berichtet in diesem Zusammenhang über besonders positive Erfahrungen mit dem seit Oktober 2012 eingerichteten Beratungszentrum der Jugendstrafanstalt Berlin.

Das Beratungszentrum ist die Schnittstelle zwischen den vollzugsinternen und –externen Akteuren im Rahmen der Entlassungsvorbereitung. Es bündelt und zentralisiert die verschiedenen fachlichen Kompetenzen der internen und externen Beraterinnen und Berater im Sinne einer optimalen Entlassungsvorbereitung. Das Beratungszentrum hält ein transparentes und verbindliches Standardberatungsangebot vor und organisiert deren effiziente Realisierung, um die durchgängige Betreuung der Gefangenen und Integrationsplanung zu ermöglichen.

«Das Angebot ist transparent und für den Jugendlichen direkt zugänglich.»

Import model, Norwegen

In Norwegen wird die Zusammenarbeit zwischen den Gefängnissen und den Gemeinden durch das so genannte Import Model unterstützt.

Soziale Dienstleistungen, die Gesundheitsfürsorge oder auch die Seelsorge für Gefangene werden in der Regel nicht durch die Strafanstalt selbst angeboten, sondern von aussen «eingekauft».

Mit diesem Modell wird eine bessere Einbindung der Fachleute und Dienstleistungen der öffentlichen Hand im Bereich des Strafvollzugs angestrebt. Für wichtig wird dabei erachtet, dass die Fachleute und die Dienstleistungen tatsächlich fest in die Strukturen ausserhalb der Strafanstalt eingebunden sind. So sind die Lehrer, die im Freiheitsentzug unterrichte die gleichen, die in den Gemeinden in den öffentlichen Schulen tätig sind.

Nach der Entlassung sind ferner vorrangig die «normalen» Institutionen der Sozialfürsorge für die Strafentlassenen zuständig. Der norwegischen Erfahrung zufolge funktioniert diese Betreuung besonders in den kleineren Gemeinden gut, in denen sich die Bürger gegenseitig kennen.

«According to the import model the services in prison need to develop in line with the civil services.»

Integrative Fallführung, Zürich

In Zürich ist das Übergangsmanagement Teil eines umfassenden Risiko-Managements. Dazu steuert und koordiniert die Vollzugsbehörde den gesamten Prozess. Alle am Sanktionenvollzug des Gefangenen beteiligten Arbeitspartner richten sich an demselben Fallkonzept aus. In Anwendung der ROS-Konzeption wird ein solches gemeinsames Fallverständnis — das sich über sämtliche Vollzugsphasen einschliesslich der Bewährungshilfe erstreckt — durch die Anwendung standardisierter Arbeitsmittel sichergestellt.

Dieser Case Management – Ansatz unterstützt dabei auch die Gestaltung der Entlassung: Für einen gelungenen Übergang vom Freiheitsentzug in die Freiheit, haben die zuständigen Fachpersonen das Gemeinwesen frühzeitig miteinzubeziehen, um so einen nahtlosen Übergang in Finanzierungs- und Betreuungsaufgaben (u.a. Sozialhilfe, Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, IV-Stelle und Arbeitsvermittlung) zu gewährleisten. Zudem nimmt man sich Zeit für Motivationsarbeit (Förderung der Problemeinsicht und Veränderungsbereitschaft), damit die Betroffenen nach der Entlassung wieder Selbstverantwortung übernehmen wollen und können.

Seit dem 1. Juli 2015 gelten für die Entlassungsvorbereitung verbindliche Vorgaben. Wird eine bedingte Entlassung in Erwägung gezogen, wird diese vier Monate vor dem Entlassungstermin vorbereitet. Eine Bewährungshelferin oder ein Bewährungshelfer wird bestimmt; eine erste gemeinsame Fallbesprechung findet statt. Zwei bis drei Monate vor der Entlassung wird der Gefangene angehört, anschliessend sitzen alle beteiligten Arbeitspartner und der Gefangene zusammen: Die Auflagen, die während der Probezeit gelten, werden besprochen und die Beziehung des Gefangenen und seiner Bewährungshelferin bzw. seines Bewährungshelfers wird aufgebaut. Ein Monat vor der Entlassung wird die definitive Entscheidung über die bedingte Entlassung verfügt. Bis zum Entlassungstermin intensiviert sich die Zusammenarbeit der Fachleute; ein tragfähiges, verbindliches «Helfernetz» für die Zeit «draussen» wird aufgebaut. Am Tag der Entlassung übernimmt die zuständige Bewährungshelferin oder der zuständige Bewährungshelfer die Fallführung.

«Bei der Entlassung hat der Klient ein solides Helfernetz und fällt nicht in ein Loch.»

Parallele Fallführung, Zürich

Zur Sicherstellung der durchgängigen Betreuung von Personen, die ein moderates bis hohes Rückfallrisiko für schwere Gewalt- und Sexualstraftaten aufweisen, arbeiten die Verantwortlichen des Sanktionenvollzugs und der Bewährungshilfe von Strafantritt bis zum Ende der Probezeit im Tandem-Prinzip zusammen. Aktiv in die Vollzugsplanung einbezogen, wird die Bewährungshilfe in der Regel ab Einleitung der Progressionsstufe des Arbeitsexternates.

Die Übergabe der aktiven Fallzuständigkeit erfolgt — wie beim oben beschriebenen Modell der integrativen Fallführung — zum Zeitpunkt der bedingten Entlassung. Der diesem Modell inhärente automatisierte Austausch aller relevanten Informationen während der Vollzugs- und Probezeit und die frühzeitige gemeinsame Planung stellen einen umfassenden Wissenstransfer und eine optimale Koordination der Interventionen sicher, womit der Bildung risikorelevanter blinder Flecken vorgebeugt wird.

«Die Bewährungshilfe wird möglichst früh eingebunden, damit die Entlassungsvorbereitung optimal angegangen werden kann.»

Praxis Schweiz

Als gesetzliche Grundlage statuiert Art. 75 des Schweizer Strafgesetzbuchs (StGB), dass der Strafvollzug das soziale Verhalten des Gefangenen und dessen Fähigkeit zur straffreien Lebensführung zu fördern hat. Da die Rückfallfreiheit oft im Zusammenhang mit dem gelungenen Wiedereintritt in die Gesellschaft steht, soll die Resozialisierung des Straftäters durch eine spezialpräventive Gestaltung des Vollzugs bestmöglich vorbereitet werden. Um den Straftäter ohne Überforderungsmomente und unter Wahrung von Kontrollmöglichkeiten sukzessive auf die Freiheit vorzubereiten, sieht die Schweiz das System des Progressionsvollzugs vor.

Als Rechtsgrundlage sieht das Schweizer Strafgesetzbuch dabei vor, dass vorzeitig aus der Haft entlassene Straftäter der Bewährungshilfe unterstellt werden können (Art. 376 Abs. 1 und Art. 87 Abs. 2 StGB). Ausserdem haben die Kantone nach Art. 96 StGB für die Dauer des Strafverfahrens und des Strafvollzugs eine durchgehende soziale Betreuung sicherzustellen.

Auf welchen Konzepten und Strukturen diese Betreuung — und somit letztlich auch das Übergangsmanagement — fusst, ist kantonal jedoch sehr unterschiedlich geregelt. Viele Praktikerinnen und Praktiker erkennen einen deutlichen Handlungsbedarf im Hinblick auf die bedürfnisorientierte Entlassungsvorbereitung sowie die Vernetzung von Sanktionenvollzug und Gemeinwesen. Perspektivisch ist deshalb der Austausch regionaler Ansätze und die Weiterentwicklung von Konzepten und Strukturen auf dem Gebiet des Übergangsmanagements anzuregen.

Offenes Tor zu Gefängniscampus Bellechasse Sugiez