Vollzug der Tätigkeits-, Kontakt- und Rayonverbote

Am 18. Mai 2014 haben Volk und Stände die Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» angenommen. Damit wurde die Bundesverfassung mit dem neuen Artikel 123c ergänzt: «Personen, die verurteilt werden, weil sie die sexuelle Unversehrtheit eines Kindes oder einer abhängigen Person beeinträchtigt haben, verlieren endgültig das Recht, eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit Minderjährigen oder Abhängigen auszuüben». In einer Analyse hat das SKJV untersucht, wie die Vollzugs- und Bewährungsdienste die neuen Bestimmungen zu den sog. Tätigkeits-, Kontakt- und Rayonverboten (kurz: TKR-Verbote) und insbesondere zum lebenslänglichen Tätigkeitsverbot umsetzen und mit welchen Herausforderungen sie dabei konfrontiert sind.

Wer in Ausübung einer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit eine Straftat begeht, kann durch das Gericht mit einem befristeten Tätigkeitsverbot belegt werden, das bis zu zehn Jahre dauern kann (Art. 67 Abs. 1 StGB). Bei Sexualstraftaten an Minderjährigen oder anderen schutzbedürftigen Personen (z.B. Patientinnen/Patienten, Heimbewohnerinnen/Heimbewohner) muss das Gericht ein lebenslängliches Verbot von Tätigkeiten aussprechen, die einen regelmässigen Kontakt mit Minderjährigen oder Schutzbedürftigen umfassen (Art. 67 Abs. 3 und Abs. 4 StGB). Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann dieses lebenslängliche Verbot weder überprüft noch aufgehoben werden, selbst wenn keine Wiederholungsgefahr mehr besteht. 

Ausserdem kann das Gericht einer Person, die eine Straftat gegen eine andere Person begeht (z.B. bei häuslicher Gewalt), für eine Dauer von bis zu fünf Jahren den Kontakt zum Opfer verbieten. Zusätzlich kann dem Täter oder der Täterin durch ein sogenanntes Rayonverbot untersagt werden, den Wohn- oder Aufenthaltsort des Opfers zu betreten (Art. 67b StGB).

Um zu kontrollieren, ob die betroffenen Personen die gegen sie verhängten Verbote beachten, hat der Bundesrat zwei Instrumente vorgesehen: Zum einen wurde der sog. Sonderprivatauszug geschaffen, den Arbeitsgeber und Vereine bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden einfordern können. Dieser gibt Auskunft darüber, ob es einer bestimmten Person verboten ist, eine Tätigkeit mit Minderjährigen oder mit besonders schutzbedürftigen Personen auszuüben oder mit solchen Personen in Kontakt zu treten. Zum anderen sollen die Fachpersonen der Bewährungshilfe mit der Verbotskontrolle betraut werden. 

In Kooperation mit Fachvertreterinnen und -vertretern der Praxis hat das SKJV im Rahmen einer Analyse den aktuellen Stand in den Kantonen und die praktischen Herausforderungen einer bundesrechtskonformen Umsetzung der TKR-Verbote untersucht.

 

Vollzug der Tätigkeitsverbote und des Kontakt- und Rayonverbots nach Art. 67 ff. StGB (Analyse)

Umsetzung ist fortgeschritten

Sowohl die Anordnung und Anpassung als auch die Durchsetzung der Verbote stellt die Kantone vor komplexe Herausforderungen. Die zuständigen Vollzugs- und Bewährungsdienste haben deshalb unterschiedliche Massnahmen entwickelt, um eine möglichst wirksame und zugleich effiziente Kontrolle der Verbote zu ermöglichen. Dazu gehören das Gespräch mit der betroffenen Person, das Einholen eines Strafregisterauszugs, die Kontrolle von Arbeitsverträgen und Dokumenten (z.B. Steuererklärung, Lohnabrechnung), die Selbstdeklaration der betroffenen Person und der Einbezug des sozialen Umfelds der Täterin bzw. des Täters sowie namentlich bei Kontakt- und Rayonverboten die elektronische Überwachung. Seit Inkrafttreten der TKR-Verbote hat die Umsetzung durch die Vollzugs- und Bewährungsdienste beachtliche Fortschritte gemacht. Zugleich hat die Analyse des SKJV aber auch festgestellt, dass aufgrund der sehr komplexen und zum Teil auch unklaren Gesetzesbestimmungen noch nicht alle rechtlichen Fragen geklärt sind und somit auch in der praktischen Umsetzung noch Unsicherheiten bestehen.

Kontrollen sind nur begrenzt möglich

Die primär auf Abschreckung beruhenden Kontrollinstrumente (z.B. Strafregisterauszug, Lohnausweiskontrolle) vermögen, so förderte die Analyse des SKJV zutage, die hohen Erwartungen an eine präventive Wirksamkeit indes nur bedingt zu erfüllen. Sie sind auch kaum dazu geeignet, Verbotsmissachtungen direkt zu verhindern, sondern diese nur im Nachhinein feststellen und ggf. sanktionieren. Jede Kontrolle beruht massgeblich auf der Kooperationsbereitschaft der betroffenen Person und deren Selbstaussagen zur Verbotseinhaltung. Dazu kommt, dass bei Verboten von ausserberuflichen (Freizeit-)Tätigkeiten die Kompetenzen der Vollzugsbehörde, Kontrollinformationen einzuholen, beschränkt sind und in rechtlicher Hinsicht Unsicherheit besteht, zu welchen Kontrollen die Behörden überhaupt berechtigt sind. 

Hoher Aufwand und steigende Kosten

Die Analyse des SKJV hat ergeben, dass die Zahl der Verbote in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Da die Einhaltung jedes Verbots, das ein Gericht verhängt, durch den zuständigen Vollzugs- und Bewährungsdienst kontrolliert werden muss, wächst entsprechend auch der damit verbundene Aufwand. Insbesondere gilt dies für die Fälle der lebenslänglichen Tätigkeitsverbote, bei denen die Kontrolle faktisch bis zum Lebensende dauert. Da Zahl der Dossiers nur ständig ansteigen, aber nicht sinken kann, stellt sich hierbei die Frage, wie die Verbote mit den vorhandenen Personalressourcen möglichst effizient und wirksam kontrolliert werden können. Einige Kantone haben dazu bereits Lösungen entwickelt, wobei sich die Intensität der Fallarbeit nach der Höhe der Rückfallgefahr bemessen sollte.

Wie weiter?

Angesichts der komplexen Gesetzesbestimmungen und den praktischen Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, braucht es eine gezielte Wissensvermittlung und vertieften Fachaustausch, um trotz der schwierigen Rahmenbedingungen möglichst gute Praxislösungen zu entwickeln und umzusetzen. Im Übrigen trägt für eine wirkungsvolle Umsetzung der TKR-Verbote nicht allein der Justizvollzug die Verantwortung, sondern ebenso die Arbeitgeber und Vereine in den Kantonen, die über das Instrument des Sonderprivatauszugs ebenfalls einen präventiven Beitrag leisten können. Zu diesem Zweck sollten vermehrt auch innerkantonale Sensibilisierungskampagnen stattfinden.