Die treibenden Kräfte der Desistance
Was fördert den Desistance-Prozess?
Die Desistance beruht sowohl auf individuellen als auch auf sozialen Komponenten. Sich von straffälligem Verhalten zu distanzieren, ist nicht nur das Ergebnis von Wille und individuellen Bemühungen, sondern hängt auch von Veränderungsmöglichkeiten, der Entwicklung von Sozialkapital und der Anerkennung der Veränderung durch die Gesellschaft ab. Bei Personen, die sich von der Kriminalität abwenden, konnten die Hauptantriebskräfte dafür auf individueller, relationaler und gesellschaftlicher Ebene beobachtet werden.
Individuelle Ebene
Auf individueller Ebene haben desistente Personen das Gefühl, handlungsfähig zu sein und ihren Lebensweg beeinflussen zu können (sense of agency). Entscheidend ist auch, ob es ihnen gelingt, ihre Motivation, ihre Hoffnung und ihren Optimismus für eine bessere Zukunft aufrechtzuerhalten, auch wenn sie auf Hindernisse treffen. Diese Merkmale spielen eine grosse Rolle bei der Bildung einer neuen, positiven Identität, die im Einklang mit den geltenden strafrechtlichen Normen ist.
Relationale Ebene
Auf Beziehungsebene sind die Entwicklung guter sozialer Beziehungen und der Wunsch einen sozialen Beitrag zu leisten und sich für die Gesellschaft einzusetzen – besonders für künftige Generationen – ebenfalls wichtige Triebkräfte für Veränderungen. Diese tragen dazu bei, Scham- und Schuldgefühle zu reduzieren, geben dem Leben einen Sinn und spiegeln die Übernahme von sozialen Rollen wider, die den sozialen und strafrechtlichen Normen entsprechen. Sie bringen jedoch nur dann etwas, wenn die Gesellschaft sie anerkennt und den betroffenen Personen Vertrauen entgegenbringt. Aus diesem Grund ist die Entwicklung von Sozialkapital wesentlich. Das Sozialkapital umfasst alle Beziehungen und Ressourcen, die sich aus vielfältigen sozialen Netzwerken wie Familie, Freundinnen und Freunden, Nachbarschaft, Arbeit oder weiteren Gruppen, zu denen man sich zugehört fühlt, ergeben. Tragfähige Beziehungen zu prosozialen Personen motivieren zu Veränderung und fördern das Streben nach einem anerkannten und gesetzeskonformen Lebensstil.
Gesellschaftliche Ebene
Auf gesellschaftlicher Ebene unterstreicht die Desistance-Forschung, wie wichtig es ist, dass die Gesellschaft die Anstrengungen und Fortschritte von straffälligen Personen anerkennt und wertschätzt. Das gegenseitige Vertrauen muss wieder aufgebaut werden. Ein noch grösserer Effekt zeigt sich, wenn auch die Behörden des Justizsystems, welche die Person ursprünglich verurteilt haben, die positiven Veränderungen anerkennen.