LGBTIQ+ Personen
Betreuung von LGBTIQ+ Personen im Freiheitsentzug
Unter der Abkürzung LGBTIQ+ werden verschiedene Begriffe und Aspekte wie sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder sexuelle Eigenschaften zusammengefasst («L»-lesbisch, «G»-gay/schwul, «B»-bisexuell, «T»-trans, «I»-intergeschlechtlich, «Q»-queer).
Obwohl es sich dabei um eine heterogene Gruppe handelt, sind LGBTIQ+ Personen im Freiheitsentzug einer Reihe von gemeinsamen Risiken ausgesetzt. Darüber hinaus können sie besondere Bedürfnisse haben, z.B. in Bezug auf die Gesundheitsversorgung. Aus diesen Gründen erscheint es angemessen, sie als Teil der vulnerablen Gruppe im Freiheitsentzug zu betrachten und Massnahmen zu ergreifen, um ihr Recht auf «Menschenwürde […] zu achten» (Art. 74 StGB) und ihre besonderen Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Grundlagenpapier des SKJV
Die Betreuung von LGBTIQ+ Personen im Freiheitsentzug (Grundlagenpapier)
Empfehlungen zum Umgang mit LGBTIQ+ Personen im Freiheitsentzug finden Sie in unserem Grundlagenpapier. Dieses soll der Praxis zu mehr Handlungssicherheit verhelfen. Behandelt werden Fragen der Einweisung, Gewaltpräventionsmassnahmen, Möglichkeiten zur Verhinderung von Diskriminierung, Leibesvisitationen oder auch der Zugang zur Gesundheitsversorgung. Insbesondere für trans und intergeschlechtliche Menschen liegt den Empfehlungen das Prinzip der Selbstbestimmung der Geschlechtsidentität zugrunde. In einem im Grundlagenpapier enthaltenen Glossar werden die wichtigsten Fachbegriffe zur Thematik erläutert.
Ergänzend zum Grundlagenpapier bietet das SKJV eine Weiterbildung zu LGBTIQ+ Personen im Freiheitsentzug an.
Die Praxis
Lesbische, schwule, bisexuelle, trans, intergeschlechtliche und Queer-Personen (LGBTIQ+) haben ein erhöhtes Risiko, im Freiheitsentzug aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität, ihres Geschlechtsausdrucks oder ihrer Geschlechtsmerkmale diskriminiert zu werden. Diese Diskriminierung erfolgt nicht unbedingt bewusst, sondern ist das Ergebnis von mangelndem Wissen oder mangelnder Sensibilität. Neben ihrer fehlenden Sichtbarkeit und der Gefahr der sozialen Ausgrenzung werden LGBTIQ+-Personen immer wieder Opfer von verbalen Beschimpfungen und körperlicher Gewalt durch Mitinsass:innen.
Den geschlechtsspezifischen Anliegen und Bedürfnissen der Gefangenen ist Rechnung zu tragen
Wie viele LGBTIQ+-Personen sich tatsächlich in Institutionen des Justizvollzugs befinden und wie sie ihre Inhaftierung erleben, wird in der Schweiz nicht erhoben. Um ihre psychische und physische Integrität zu schützen und die Sicherheit innerhalb der betreffenden Institution zu gewährleisten, können LGBTIQ+-Personen getrennt von anderen Inhaftierten untergebracht werden. Dies erhöht jedoch das Risiko, dass die Betroffenen zusätzlich isoliert und stigmatisiert werden.
Die Isolation – auch wenn sie dem Schutz der inhaftierten Personen dient – sollte höchstens eine kurzfristige Lösung darstellen. In solchen Situationen ist es häufig hilfreich, die Meinung der betroffenen Person einzuholen.
Das Justizvollzugssystem ist nach einem binären Geschlechterverständnis strukturiert, in dem eine Person entweder als weiblich oder männlich gelesen wird. Besonders prekär ist diese Situation für Trans- und nonbinäre Personen. Sie wurden bisher aufgrund ihres biologischen Geschlechts oder auf der Basis ihrer Ausweispapiere in eine entsprechende Einrichtung eingewiesen.
Inhaftierte Transgender-Personen sollten daher in einer Anstalt untergebracht werden, die ihrer Geschlechtsidentität entspricht (...)