Frauen im Justizvollzug

Eine übersehene Minderheit

Frauen sind im Schweizer Justizvollzug eine kleine, oft übersehene und besonders verletzliche Gruppe – ihre spezifischen Bedürfnisse verdienen mehr Beachtung.

Zahlen und Fakten

Anfang 2024 befanden sich laut Bundesamt für Statistik 395 Frauen in den 88 Haftanstalten der Schweiz. Das entspricht nur 5,7 % der insgesamt 6'881 Inhaftierten. Weltweit liegt der Anteil von Frauen im Freiheitsentzug seit Jahren konstant zwischen 3 und 8 %. 

Frauenanteil

Frauen begehen seltener Straftaten. 2024 betrafen 17.9 % der Verurteilungen wegen Verbrechen oder Vergehen Frauen. Global betrachtet fällt auf, dass proportional mehr Frauen wegen Drogendelikten im Gefängnis sind als Männer. 

Berücksichtigung frauenspezifischer Aspekte

Das wissenschaftliche Interesse an straffälligen Frauen wächst, doch die Datenlage bleibt begrenzt. Studien weisen auf Unterschiede zu männlichen Biografien hin– sowohl beim Einstieg als auch beim Ausstieg aus der Kriminalität. Für eine wirksame Kriminal- resp. Rückfallprävention ist es daher wichtig, die jeweiligen Kontexte und Gründe für weibliche Straffälligkeit genau zu betrachten – ebenso wie die unterschiedlichen Täterinnentypen und genderspezifische Aspekte. Pauschale Erklärungsmodelle, die sich auf den Unterschied zwischen «weiblicher» und «männlicher» Kriminalität beziehen, greifen hier zu kurz.

Frauen im Justizvollzug haben spezifische Bedürfnisse – etwa in der gesundheitlichen Versorgung, der psychologischen Betreuung oder beim Übergang in ein straffreies Leben. Diese Aspekte müssen systematisch berücksichtigt werden. Ein gendersensibler Vollzug muss insbesondere folgende Themen in Planung, Betreuung und Rückfallprävention einbeziehen: 

  • Mutterschaft und familiäre Verantwortung
  • Weibliche Sozialisation
  • Beziehungsgestaltung
  • Suchtproblematiken
  • Eigene Gewalterfahrungen

Sie sind entscheidend für Haftalltag, Rückfallprävention und Resozialisierung. 

Betreuung und Begleitung im Freiheitsentzug

Eine räumliche Trennung von Männern und Frauen im Freiheitsentzug ist seit 2007 nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben, wird in der Schweiz aber weiterhin praktiziert. Das Strafgesetzbuch zählt sie zu den Gefangenengruppen, für welche die Kantone eigene Abteilungen führen können (Art. 377 Abs. 2a StGB). So können die Kantone flexiblere Vorschriften erlassen, die angemessene Lösungen für den Frauenvollzug zulassen. Die Kantone haben sich darauf geeinigt, Frauen meist auf eigenen Abteilungen oder Stockwerken unterzubringen.  

Besondere Herausforderungen

  • Zentralisierung: Nur zwei Einrichtungen für längere Strafen, häufig weit vom sozialen Umfeld entfernt. Das erschwert die Pflege von sozialen Kontakten und die Entlassungsvorbereitung.
  • Gemischte Vollzugsformen: Trennung nach Straf- und Massnahmenvollzug ist bei Frauen nicht möglich; verschiedene Vollzugsformen und -stufen werden oft in einer Einrichtung gemischt geführt.
  • Kleine Abteilungen: In vielen Institutionen werden kleinere Abteilungen für Frauen betrieben. Besonders in U-Haft oder Ausschaffungshaft werden Frauen oft isoliert untergebracht, mit wenig sozialem Kontakt.
  • Medizinische Versorgung: Viele Frauen leiden unter den Folgen von Sucht, Gewalt oder Prostitution. Über 50 % leiden unter mehrfacher Sucht. Viele sind zudem traumatisiert oder psychisch stark belastet. Für die Betreuung braucht es deshalb speziell geschultes Fachpersonal.
  • Psychologische Versorgung: Viele inhaftierte Frauen wünschen sich psychotherapeutische Unterstützung.
  • Mutterschaft: Rund drei Viertel der Frauen sind Mütter. Die Beziehung zu ihren Kindern ist für sie wichtig. Nur wenige können ihre Kinder mit in die Haft nehmen. In Hindelbank gibt es eine Wohngruppe für Mutter und Kind (Kinder bis 3 Jahre), im Prison de la Tuilière spezielle Zellen mit einem Wohn- und Küchenbereich.  
  • Gewalt unter Frauen: Gewalt unter Frauen äussert sich seltener physisch, häufiger durch Ausgrenzung, verbale Attacken und Isolation.  

Rechtsgrundlagen auf einen Blick

 

Rechtsquelle Kernaussagen / Inhalte
Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB) 

Art. 75: Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Bedürfnisse im Vollzug

Art. 80 Abs. 1: Abweichende Vollzugsformen bei Schwangerschaft, Geburt und Mutter-Kind-Unterbringung 

Bangkok Rules (UNO, 2010) 

70 Regeln zu frauenspezifischen Bedürfnissen im Freiheitsentzug 

Einziges frauenspezifisches internationales Instrument (Soft Law) 

Von der Schweiz 2013 übernommen 

Europäische Strafvollzugsgrundsätze (Recommendation Rec(2006)2 – rev.) 

Keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (Grundsatz 13)

Behörden sollen bei Entscheidungen zu inhaftierten Frauen deren spezifische körperliche, berufliche, soziale und psychologische Bedürfnisse besonders berücksichtigen (Grundsatz 34 Abs. 1–3) 

CPT – Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter 

Eigene Standards für inhaftierte Frauen im 10. Tätigkeitsbericht 

Fokus auf Schutz vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, – gemäss Art. 3 EMRK 

Einrichtungen für Frauen in der Schweiz

Inhaftierte Frauen benötigen oft spezielle Haftstrukturen – z. B. bei Schwangerschaft oder Geburt.