Schritt für Schritt Richtung Wiedereingliederung: 10 Fragen, 10 Antworten

Manche Forschungsgebiete, Politikbereiche und Praktiken sind von Natur aus grundsätzlich kontrovers und umstritten. Aber unabhängig von der Tatsache, dass sich unser Wissen ständig weiterentwickelt und immer noch vertieft werden kann, gibt es sogar in diesen Bereichen Fragestellungen, bei denen unter Wissenschaftlern, politischen Entscheidungsträgern und Praktikern breite Übereinstimmung herrscht.

Dies ist der Öffentlichkeit oftmals nicht bekannt. Im Gegenteil: Aufmerksamkeit erhalten nur aussergewöhnliche neue Ergebnisse. Besonders in den Bereichen der Resozialisierung, Wiedereingliederung und Bewährungshilfe ist es jedoch wichtig, das vorhandene Wissen der Öffentlichkeit, den politischen Entscheidungsträgern und vor allem den Menschen zugänglich zu machen, die sich tagtäglich vor Ort mit diesen Problemstellungen auseinandersetzen, denn gerade sie kennen ja die angewendeten Methoden sehr gut, haben aber möglicherweise nicht immer Zugang zu Informationen und weiterführenden Forschungsergebnissen. Die Erkenntnisse aus Lehre und Praxis sollten in der öffentlichen Debatte, bei der politischen Entscheidungsfindung, in der beruflichen Weiterentwicklung und im Rahmen der Innovation berücksichtigt werden.

Die Europäische Organisation für Bewährungshilfe (CEP) ist der Auffassung, dass die Verbreitung des Wissens in diesem Bereich besonders wichtig ist, weil die öffentliche Debatte hochemotional geführt wird und von Intuition sowie dem sogenannten gesunden Menschenverstand geleitet ist. Aus diesem Grund hat die CEP die Initiative ergriffen und die Forschungsgruppe «Research Group Working with Mandated Clients» der Fachhochschule (Hogeschool) Utrecht beauftragt, neuste wissenschaftliche Daten zur Resozialisierung von Straftätern zu erheben und aufzubereiten, welche für die Öffentlichkeit, die Politik, politische Entscheidungsträger und Fachpersonen der Bewährungshilfe von Bedeutung sind.

Die so gewonnenen Erkenntnisse werden untenstehend in Form eines Fragenkatalogs dargestellt: Hier werden Erkenntnisse aus Forschung und Lehre sowie angewandtes praktisches Wissen aus dem Straf- und Massnahmenvollzug miteinander verknüpft. Führende Experten aus den jeweiligen Bereichen haben hierzu ihren Beitrag geleistet.

1. Warum werden Menschen straffällig?

von Rob Canton De Montfort University, Leicester (Grossbritannien)

Wollte man versuchen, die Frage zu beantworten, warum Menschen Straftaten begehen, könnte man damit unzählige Bücherregale füllen. Viele Kriminologen bezweifeln jedoch inzwischen, dass es sich hierbei überhaupt um die richtige Fragestellung handelt. Die bisherigen Definitionen des Begriffes «Straftat» sind alle umstritten und umfassen so verschiedenartige Verhaltensweisen, dass keine einzige Definition für sich allein genommen vollständig sein kann. Wissenschaftler haben versucht, den Begriff «Straftat» zu definieren, indem sie erläutern, inwiefern Straftäter sich von nicht straffälligen Menschen unterscheiden, und stützen sich dabei auf biologische (oft genetische) Veranlagungen, psychologische Aspekte (mit Bezug zu Kindheitserfahrungen) oder soziologische Gegebenheiten (Einfluss der Gesellschaft, der Kultur oder der wirtschaftlichen Bedingungen). Zahlreiche Untersuchungen messen all diesen Aspekten Bedeutung bei. Die Kriminologie geht hier selektiver vor: Sie untersucht in der Regel nur einige Arten von Straftaten, während andere ausser Acht gelassen werden. (So hat z.B. bislang niemand erforscht, ob die Raffgier von Wirtschaftskriminellen oder die Gewaltakte von Staats- und Regierungschefs auf einer genetischen Veranlagung beruhen.) Auch beruhen die bisherigen Untersuchungen auf Annahmen, die durchaus hinterfragt werden können, wie z.B. die Annahme, dass die meisten Menschen nicht straffällig werden (tatsächlich gibt es viele Gründe, die dafür sprechen, dass die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens eine oder mehrere Straftaten verüben) oder dass es Merkmale gibt, durch welche sich Straftäter von nicht straffällig gewordenen Menschen unterscheiden. Tatsächlich verhalten sich aber auch die aktivsten Straftäter die meiste Zeit genauso wie die meisten anderen Menschen auch.

Ein im Hinblick auf die Bewährungshilfe massgebliches Forschungsergebnis zeigt, dass das Denkvermögen oder die kognitiven Fähigkeiten vieler Straftäter eingeschränkt sind. Das bedeutet, dass sie über eine begrenzte Fähigkeit verfügen, die Konsequenzen der eigenen Handlungsweisen sorgfältig zu durchdenken, kann aber auch mit einer Palette anderer Einschränkungen des Denkvermögens und der Sozialkompetenzen und mangelnder Empathie für Opfer und generell für andere Menschen einhergehen. Gedanken, Verhalten und Gefühle sind eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis konnten bereits Verhaltensprogramme für Straftäter erarbeitet werden, die auch Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie nutzen. (Nebenbei sei angemerkt, dass die Konzentration auf den Zusammenhang zwischen Einstellungen – auf die das Programm abzielt – und Verhalten manchmal dazu führt, dass die Bedeutung der Gefühle zumindest teilweise vernachlässigt oder gar ganz ausser Acht gelassen wird.)

In der Bewährungshilfe weiss man jedoch nur allzu genau, dass viele Gefängnisinsassen mit schwerwiegenden sozialen Nachteilen zu kämpfen haben. Zwar leugnen die kognitiven Verhaltenswissenschaften die Bedeutung der sozialen Faktoren nicht, aber es besteht das Risiko, dass die Konzentration auf Einstellungen, Verhalten und Gefühle dazu führen kann, dass andere Ansätze für ein besseres Verständnis von Straftaten – wie z.B. durch die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Straftaten, sozialer Benachteiligung und Ungerechtigkeiten – vernachlässigt werden. Dieser Kritikpunkt gewinnt im Hinblick auf bestimmte Zielgruppen noch an Bedeutung: Das strafbare Verhalten von Frauen und Straftätern, die ethnischen Minderheiten angehören, und die Erfahrungen, die diese Zielgruppen mit dem Justizvollzug machen, sind nur im grösseren sozio-ökonomischen Kontext vollumfänglich begreifbar. Die Desistance-Forschung und das «Good Lives Model» (zur Resozialisierung von Straftätern) setzen hier an: Hier wird der sozialen Integration mehr Bedeutung zugemessen und es wird betont, dass nicht nur die Straftäter ihre Einstellungen und ihr Verhalten ändern müssen, sondern dass ihnen auch angemessene Möglichkeiten geboten werden müssen, um ein deliktfreies Leben führen und sich in die Gesellschaft eingliedern zu können. Der Bewährungshilfe obliegt es im Rahmen dieses Konzepts, die Gesellschaft zur Schaffung von Möglichkeiten zur sozialen Integration anzuhalten und die Straftäter dabei zu unterstützen, den Zugang zu den von ihnen benötigten Unterstützungsmassnahmen und Dienstleistungen auch zu nutzen. Dieser Ansatz geht über die Beschäftigung mit dem Einfluss von Einzelmassnahmen auf das strafbare Verhalten hinaus.

2. Wie und aus welchen Gründen finden Menschen den Weg aus der Straffälligkeit?

von Lila Kazemian City University of New York (USA)

Die Bedeutung und der Nutzen der Desistance-Forschung – insbesondere für die Erarbeitung von Nachsorgemassnahmen – wurden in der Fachliteratur bereits hinreichend dargelegt. Desistance-Prädiktoren können in folgende vier Hauptkategorien eingeteilt werden: biologische, soziologische, kognitive und psychologische Prädiktoren.

Biologische Desistance-Prädiktoren
Neben der Untersuchung der unmittelbaren Auswirkungen des Alterns auf die Desistance und der biologischen Veränderungen, die mit steigendem Alter zu einer Verringerung des straffälligen Verhaltens führt, haben sich jüngere Studien auch mit der Rolle genetischer Faktoren im Desistance-Prozess befasst. Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass genetische Faktoren einen nicht unerheblichen Einfluss auf Ehe und Desistance haben. Die Forschungsarbeiten legen dar, dass die Ehe – auch nach der Überprüfung genetischer Einflussfaktoren – im Rahmen der Desistance als wichtiger Prädiktor erachtet werden kann, dass ihre Wirkung jedoch stark eingeschränkt wird.

Soziale Desistance-Prädiktoren
Zahlreiche Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf die Bedeutung sozialer Bindungen im Desistance-Prozess. Hierzu zählen insbesondere Ehe und Erwerbstätigkeit. Desistance – also die Hinwendung zu einem deliktfreien Leben – wird als gradueller Prozess beschrieben, der möglich wird, sofern auf mehreren Ebenen soziale Bindungen bestehen. So haben den Ergebnissen zufolge z.B. die Ehe und ein stabiles Beschäftigungsverhältnis einen grösseren Einfluss auf die Desistance, wenn sie gleichzeitig nebeneinander existieren. Die Ehe und ein stabiles Beschäftigungsverhältnis führen nicht nur zu einer grösseren sozialen Kontrolle, sondern fördern den Desistance-Prozess auch dadurch, dass der Tagesablauf des Straftäters verändert und damit der Zugang zu deliktsfördernden Situationen eingeschränkt wird. In diesem Sinne argumentieren manche Autoren, dass Ehe und Erwerbstätigkeit die Desistance insofern fördern, als hierdurch eine vermehrte Interaktion zwischen Straftäter und Ehepartner und/oder sozial integrierten Berufskolleginnen und -kollegen stattfindet und die Straftäter weniger Zeit mit Freunden verbringen, die potenziell durch deviantes Verhalten auffallen.

Die bekannte Glueck-Studie aus den 1950-er Jahren, deren Probanden jugendliche Delinquenten waren, kam zu dem Ergebnis, dass der Militärdienst einen Wendepunkt im Desistance-Prozess darstellt. Gegenwartsanalysen mit Probanden aus der heutigen Zeit kommen jedoch zu einem gegenteiligen Ergebnis. Daher sind zusätzliche Studien mit Probanden aus der heutigen Zeit, die den Militärdienst absolviert haben, erforderlich.

Nicht nur die unterschiedlichen rechtlichen Einschränkungen, denen straffällig gewordene Personen unterliegen, sondern auch eine Sozialpolitik und – auf informeller Ebene – die Reaktionen innerhalb der Familie oder der Gemeinschaft, durch die Etikettierungen und Stigmatisierungen gefördert werden, hemmen Desistance-Bemühungen stark.

Kognitive Desistance-Prädiktoren
Kognitive Faktoren im Desistance-Prozess wurden im Rahmen der Theorie der kognitiven Transformation in der Fachliteratur umfassend diskutiert. Diese kognitive Transformation wird definiert als Wandlungsprozess, welcher die Desistance fördert. Es werden vier Prozesse der kognitiven Transformation beschrieben: Zuerst muss der Straftäter für einen Veränderungsprozess offen sein. In zweiter Instanz stellt sich der Straftäter in einem selbst-regulativen Prozess prosozialen Erfahrungen, die den Desistance-Prozess weiter fördern (z.B. einer Erwerbstätigkeit). In einer dritten Etappe eignet sich die betroffene Person eine neue, prosoziale und deliktfreie Identität an. Und schliesslich findet ein Wandel in der Wahrnehmung der eigenen kriminellen Lebensführung statt: die negativen Konsequenzen des straffälligen Verhaltens werden als selbstverständlich wahrgenommen.

Die Bedeutung des Identitätswandels im Desistance-Prozess wurde von verschiedenen Autoren hervorgehoben, die der Auffassung sind, dass ehemalige Straftäter eine für sie selbst überzeugende, glaubhafte und positive Identität entwickeln und eine Trennung zwischen ihrem früheren und ihrem jetzigen Ich vollziehen müssen, um ein nachhaltig deliktfreies Leben führen zu können.

In der Fachliteratur wurden noch weitere kognitive Faktoren identifiziert, wie z.B. Neutralisationstechniken, Schuldzuweisungen, eine positive Grundhaltung in Bezug auf die Frage, ob der Desistance-Prozess erfolgreich bewältig werden kann, und nicht zuletzt auch Entschlossenheit. Drogenkonsum zählt zwar zu den Verhaltensindikatoren, beeinflusst jedoch die kognitiven Prozesse. Daher stellt er Studien zufolge für das Erreichen der Desistance-Ziele ein grosses Hindernis dar.

Psychosoziale Desistance-Prädiktoren
Einer der in diesem Kontext interessantesten Aspekte ist die Art und Weise des Zusammenwirkens von individuellen Prädispositionen und Lebensereignissen, die den Desistance-Prozess fördern. Viele Wissenschaftler sind der Auffassung, dass der Desistance-Prozess mit grösserer Wahrscheinlichkeit erfolgreich verläuft, wenn er sowohl durch soziale als auch durch kognitive Faktoren positiv beeinflusst wird. Andere Untersuchungsergebnisse legen dar, dass die subjektive Verfassung der betroffenen Person ihr Rückfallrisiko direkt und indirekt beeinflussen kann, da hierdurch die sozialen Bedingungen verändert werden. Personen mit einer positiven Einstellung und einem Beziehungsnetzwerk, das ihnen Unterstützung zuteilwerden lässt, können mit Problemen besser umgehen, Versuchungen eher widerstehen und Rückschläge eher vermeiden, sofern die zu überwindenden Hürden nicht extrem hoch sind. Aus den genannten Gründen geht man davon aus, dass der Desistance-Prozess von verschiedenen, miteinander zusammenhängenden internen und externen Faktoren beeinflusst wird.

3. Welche Rolle spielt das Bewährungshilfe-Personal im Rahmen der richterlichen Beratung bei der Festlegung des Strafmasses und der Unterstützung des Massnahmenvollzugs?

von George Mair Liverpool Hope University (UK)

Die Festsetzung des Strafmasses ist ein komplexer und nuancierter Prozess. Die Entscheidung, welches Strafmass einem Straftäter auferlegt wird, obliegt Richtern, die über relativ wenige Informationen aus unabhängiger und unparteiischer Quelle über die Straftäter, ihre Lebensbedingungen oder den grösseren Kontext, in welchem die Straftat begangen wurde, verfügen. Insbesondere in kontradiktorischen Systemen der Strafjustiz versuchen die Verteidiger, ihre Klienten so positiv wie möglich darzustellen, um ein mildes Urteil zu erwirken, wohingegen die Staatsanwaltschaft tendenziell ein hohes Strafmass anstrebt und den Straftäter entsprechend porträtiert.

In diesem Kontext von stark parteiischen und gegenläufigen Interessen kann die Bewährungshilfe eine ‚objektivere‘ Einschätzung des Straftäters vermitteln und die Vor- und Nachteile möglicher Strafen zusammenfassend darlegen. Obgleich der Anwendungsbereich der von Bewährungshelfern erstellten Gerichtsrapporte eingeschränkt und der Zeitrahmen zur Erstellung von Rapporten bei diversen Gerichtsbarkeiten begrenzt wurde (daher ist z.B. die Anzahl der am Tag der Urteilsfindung mündlich vorgetragenen Rapporte in England du Wales in den letzten zehn Jahren massiv angestiegen), können Bewährungshelfer eine relativ neutrale und unabhängige Einschätzung dazu abgeben, wie der Straftäter voraussichtlich auf ein Urteil reagieren wird. Wir wissen, dass eine Strafe mit grösserer Wahrscheinlichkeit vollständig verbüsst wird und das Risiko von Wiederholungstaten sinkt, wenn Straftäter positiv auf das Strafmass reagieren (d.h. das Urteil als gerechtfertigt erachten). In diesem Kontext kann die Beratung durch die Bewährungshilfe als wichtiger Bestandteil des Entscheidungsprozesses bei der Festlegung des Strafmasses erachtet werden.

Zahlreiche Studien haben bereits dargelegt, dass zwischen den Vorschlägen der Bewährungshilfe und den Gerichtsurteilen ein hoher Prozentsatz an Übereinstimmung besteht. Obgleich es hierfür vielerlei Gründe geben kann – z.B. wenn Bewährungshelfer die Urteile antizipieren – legen diese Untersuchungsergebnisse doch nahe, dass das Bewährungshilfe-Personal durch Informationsvermittlung und Beratung einen grossen Einfluss auf die richterliche Entscheidungsfindung hat.

Jedoch ist auch das Bewährungshilfe-Personal nicht ganz unparteiisch. Die richterliche Beratung ist ein wichtiger Bestandteil zur Unterstützung des Sanktionen- und Massnahmenvollzugs im Rahmen der Bewährungshilfe. Erstens kann die Tragweite und Zusammensetzung solcher Massnahmen komplex sein. Daher benötigen Richter aktuelles Wissen über die Verfügbarkeit von Bewährungshilfemassnahmen und deren Effizienz bei der Umsetzung von Strafurteilen.

Darüber hinaus kann das Bewährungshilfe-Personal durch die Beratung mit dem Ziel der Förderung von Bewährungshilfemassnahmen härtere Urteile abwenden und den Straftäter vor einer Haftstrafe bewahren. Dies könnte zu einer Verringerung der Häftlingspopulation und zur Verhängung von menschlicheren, effizienteren Strafen führen. Die Untersuchungsergebnisse legen dar, dass Bewährungshilfemassnahmen im Hinblick auf die spätere Rückfallhäufigkeit mindestens so effizient, aber deutlich weniger kostenintensiv sind als Haftstrafen.

Und schliesslich muss man sich fragen, wer denn bei der Richterschaft kontinuierlich für geringere Strafmasse und einen durchdachteren Ansatz bei der Urteilsfindung plädieren würde, wenn nicht die Bewährungshelfer? Dieser Ansatz kann möglicherweise langsam, aber sicher dazu führen, dass sich die Strafkultur weniger schnell ausbreitet als bisher – auch wenn die Hoffnung, diese Tendenz umkehren zu können, vermutlich trügerisch ist.

Die Bewährungshilfe kann ihre Produkte nicht öffentlich vermarkten. Nur der Gerichtssaal bietet den angemessenen Raum, innerhalb dessen sie ihren Hauptkunden – den Richterinnen und Richtern – ihre Dienstleistungen präsentieren kann. Die Hauptaufgabe des Bewährungshilfe-Personals besteht darin, die in der Gemeinschaft lebenden Straftäter zu überwachen. Den grössten Einfluss können Bewährungshelfer jedoch ausüben, indem sie die Richterinnen und Richter im Rahmen ihrer Urteilsfindung beraten und dadurch den Rückgriff auf Bewährungshilfemassnahmen fördern.

4. Welchen Einfluss hat die Bewährungshilfe auf die Reduzierung der Rückfallquote und die Unterstützung des Desistance-Prozesses?

von Fergus McNeill University of Glasgow (UK)

In den meisten Rechtssystemen ist die Reduzierung der Rückfallquote seit langem eines der wichtigsten Ziele der Bewährungshilfe. Die diesbezügliche Effizienz der Bewährungshilfemassnahmen kann jedoch nur sehr schwer beurteilt werden.

Einerseits ist die Rückfallquote selbst nur schwer messbar, denn der hier üblicherweise verwendete Indikator – die erneute Verurteilung – ist das Ergebnis mehrerer sozialer Prozesse (die alle von vielerlei subjektiven Faktoren abhängen). Darüber hinaus wird die Wiederverurteilung nicht überall und nicht zu jedem Zeitpunkt gleich und nicht immer nach denselben Massstäben definiert (erneute Festnahme, erneute Verurteilung, erneute Inhaftierung). Binäre (ja/nein) Evaluierungen der Wiederverurteilung berücksichtigen darüber hinaus weder den Grad noch die Häufigkeit dieser Massnahmen.

Andererseits ist auch die «Bewährungshilfe» kein einheitlicher, leicht definierbarer Eingriff. Bewährungshilfemassnahmen können sehr vielfältig ausgestaltet werden und unterliegeneiner Vielzahl rechtlicher Voraussetzungen, interpersoneller Prozesse und laufend angepasster Interventionsansätze. Auch wenn Bewährungsmassnahmen bei bedingter Entlassung formal ähnlich angeordnet werden, ist die Art der Überwachung (und ihrer Auswirkungen) massgeblich von der Beziehung zwischen Betreuer und Betreutem abhängig.
Aber nicht nur das Ergebnis ist schwer messbar. Auch die Prozesse können nur schwer definiert und beschrieben werden und der Kontext, in welchem die Bewährungshilfemassnahmen durchgeführt werden, ist ebenso variabel wie massgebend. Ein für diesen Kontext zu berücksichtigender Aspekt ist das Profil des Klienten. Obgleich die Wiederverurteilungsrate offenbar in vielen Ländern durch die Bewährungshilfe positiver beeinflusst werden kann als durch Haftmassnahmen, beruhen die Unterschiede hinsichtlich der Wiederverurteilungsraten zum Grossteil auf dem unterschiedlichen Profil der Personen, die Bewährungshilfemassnahmen unterliegen, sowie der Häftlingspopulation, wobei das Risiko der Wiederverurteilung für Inhaftierte ohne Bewährungshilfemassnahmen grösser ist. Überprüft man diese Unterschiede, so stellt man fest, dass Bewährungshilfemassnahmen einen positiveren Einfluss auf die Wiederverurteilungsrate haben als die Inhaftierung, dieser Unterschied jedoch deutlich kleiner ist, als man sich das wünschen würde und wir nicht wissen, ob es sich hierbei um das Ergebnis der positiven Auswirkungen der Bewährungshilfe oder der negativen Auswirkungen der Haft handelt.

Ein zweiter für diesen Kontext zu berücksichtigender Aspekt ist das grössere soziale Umfeld. Es scheint auf der Hand zu liegen, dass eine angeordnete Bewährungshilfemassnahme eher zum Erfolg führt, wenn die betreute Person motiviert ist, durch ihre Familie unterstützt wird, in einem wachsenden Arbeitsmarkt viele Beschäftigungsmöglichkeiten und Zugang zu hervorragender Gesundheitsversorgung und guten Sozialleistungen hat, über eine stabile und angemessene Unterkunft verfügt und die Gesellschaft eine weniger straf-orientierte und ausgrenzende Haltung einnimmt, usw.. Unter diesen Umständen kann sich der Erfolg, der vermeintlich auf effizienten Bewährungshilfemassnahmen beruht, tatsächlich dank des sozialen und strukturellen Kontexts einstellen.

Eine der wenigen Studien, die sich bislang gezielt mit den Beziehungen zwischen der Bewährungshilfe und Desistance befasst hat, fand ursprünglich heraus, dass der Motivation und dem sozialen Kontext innerhalb des erfolgreichen Desistance-Prozesses eine weit grössere Bedeutung zukommt als dem Inhalt oder der Qualität von Bewährungshilfemassnahmen. Interessanterweise wurde dieselbe Zielgruppe 10 Jahre später erneut untersucht und die Nachfolgestudie kam zu dem Ergebnis, dass sich Bewährungshilfemassnahmen positiv auswirken können und dies auch tun, allerdings nicht immer so zügig, wie dies wünschenswert wäre.

Wenn Bewährungshelfer gute Beziehungen zu den betreuten Personen aufbauen und diese konstruktiv unterstützen, können sie den Grundstein für einen erfolgreichen Wandel legen, sie können ihn jedoch nicht herbeiführen. Diese Herangehensweise an die Wirkung von Bewährungshilfemassnahmen – also die Definition von Bewährungshilfe als einen auf Beziehungen basierenden, inkrementellen positiven Einfluss auf die Entwicklung eines Menschen – stimmt überein mit der Desistance-Theorie und der allgemeinen Desistance-Forschung, aber auch mit diversen Aspekten der neuen „Who Works?“-Literatur.

Zusammenfassend können wir also vielleicht sagen, dass manche Arten und praktizierten Formen der Bewährungshilfe, die auf bestimmte Weise durch einen bestimmten Typ von Bewährungshelfern geleistet wird, den Desistance-Prozess unterstützen können, tatsächlich unterstützen und auch die Rückfallquoten reduzieren, dass dieser Effekt jedoch nicht nur durch unsere Art der Evaluierung von Wandlungsprozessen abgeschwächt wird, sondern auch durch den jeweiligen sozialen Kontext und die Beziehungsstrukturen, die den Desistance-Prozess fördern oder hemmen.

5. Wie beeinflusst die Bewährungshilfe den Wunsch der Gesellschaft nach Gerechtigkeit oder Bestrafung?

von Rob Allen Co-Direktor Justice and Prisons (UK)

Studien, die sich mit der öffentlichen Meinung zum Thema der Justiz befassen, sind schwer interpretierbar, denn ihre Ergebnisse hängen stark von der Formulierung der jeweiligen Fragen ab. Einer kürzlich im Vereinigten Königreich durchgeführten Studie zufolge erachten vier von fünf Befragten Bewährungshilfemassnahmen als milde Bestrafung. Aber ein Grossteil der Befragten kannte keine der den Richtern in ihrem Gerichtsbezirk zur Verfügung stehenden Alternativen zur Inhaftierung. Sogar die gemeinnützige Arbeit, also die gängigste und in den meisten Ländern am häufigsten als Alternative zur Inhaftierung verhängte Strafe, ist vielen Menschen nicht bekannt. Ohne eine genaue inhaltliche Erläuterung der Bewährungshilfemassnahmen ist nur schwer ersichtlich, worauf die Befragten ihre Meinung zu der Frage stützen, welchen Beitrag die Bewährungshilfe zur Justiz und zum Strafmass leistet. Nur ein geringer Teil der Befragten erwähnte die Bewährungshilfe spontan als Mittel zur Verbrechensbekämpfung. Die Polizei oder auch Schulen wurden in diesem Zusammenhang häufiger genannt.

Andererseits ist es in diesem Bereich des «strafrechtlichen Populismus» wichtig, sachlich fundierte Meinungen zur Bewährungshilfe einzuholen. Aus diesem Grunde wurde in einer kürzlich durchgeführten Studie die Bedeutung von Bewährungshilfemassnahmen zuerst erläutert, bevor die Befragten ihre Meinung dazu äussern sollten. Trotz methodischer Schwierigkeiten konnten so übereinstimmende Erkenntnisse gewonnen werden. Erstens zeigen vergleichende Studien, dass die Einstellungen zu Sanktionen in verschiedenen Ländern stark variieren. In einer im Jahre 2000 durchgeführten Untersuchung wurde gefragt, wie ein Einbruchdiebstahl bestraft werden sollte. In Grossbritannien und den Niederlanden sprach sich eine Mehrheit für die Freiheitsstrafe aus, wohingegen in den meisten Ländern Kontinentaleuropas und Skandinaviens die gemeinnützige Arbeit bevorzugt wurde.

Zweitens betrafen geäusserte Einwendungen zur Bewährungshilfe und zur gemeinnützigen Arbeit nicht nur die Frage der Angemessenheit des Strafmasses, sondern auch die Qualität seiner Umsetzung. Im Vergleich zur Polizeiarbeit wurde die Arbeit der Bewährungshelfer nicht als qualitativ gut erachtet und gelegentlich wurde die Auffassung vertreten, dass Straftäter mit einer nachlässigen Überwachung davonkommen.

Drittens waren diese Meinungen meist durch die Medien beeinflusst und weniger häufig durch eigene Erfahrungen. Einer kürzlich anhand von Artikeln in britischen Zeitungen durchgeführten Untersuchung zufolge war die Anzahl der negativen Berichterstattungen doppelt so hoch wie die Anzahl positiver Berichte über Bewährungshilfemassnahmen, was suggerieren könnte, dass die Printmedien eine inhärent feindselige Haltung vertreten. Eine in Irland durchgeführte Studie zeigte, dass dort die meisten Medienbeiträge zum Thema Bewährungshilfe positiv oder neutral waren, wobei sich in jüngster Zeit eine Tendenz zur negativen Berichterstattung abzeichnet.

Es gibt zahlreiche Ansatzpunkte dafür, wie erreicht werden kann, dass die Bewährungshilfe in der breiten Öffentlichkeit besser akzeptiert und unterstützt wird. Sofern in einem Stadtteil durch gemeinnützige Arbeit greifbare Verbesserungen herbeigeführt werden können, kann dies eine positive Reaktion der dort lebenden Bevölkerung hervorrufen. Auch Ausgangssperren und elektronische Überwachung (EM) können den Rückhalt der Bevölkerung finden, sofern diese Massnahmen erläutert werden. Die Menschen akzeptieren auch, dass unterschiedliche Straftäter unterschiedlich bestraft werden müssen, insbesondere psychisch Kranke oder Drogenabhängige sowie Frauen mit kleinen Kindern.

Argumente zur statistischen Effizienz nicht freiheitsentziehender Massnahmen haben in der Regel weniger Gewicht als Argumente, mit denen Werte und ihnen zugrundeliegende Grundsätze hervorgehoben werden: Wiedergutmachung, Ausgleich und das Erlernen der Art und Weise, «wie gute Menschen leben», waren Argumente, die in einer kürzlich durchgeführten Studie grosse Resonanz fanden. Es scheint daher wichtig, die Bevölkerung nicht nur besser zu informieren, sondern auch ihre emotionale Ebene anzusprechen.

Eine zu starke Betonung der Bestrafungskomponente von Bewährungshilfemassnahmen – z.B. indem Straftäter die gemeinnützige Arbeit in weithin sichtbaren, orangen Sicherheitswesten verrichten müssen – könnte die der Bewährungshilfe zugrundeliegenden Prinzipien gefährden. Natürlich werden Straftäter durch Bewährungshilfemassnahmen nie so in ihrer Freiheit eingeschränkt und nie so stark bestraft wie durch freiheitsentziehende Massnahmen. Der Versuch, dem Wunsch der Gesellschaft nach Gerechtigkeit oder Bestrafung gerecht zu werden, muss daher mit dem Versuch einhergehen, das Verständnis von Gerechtigkeit zu beeinflussen und der Öffentlichkeit die Rolle der Bewährungshilfe klar und deutlich zu erläutern.

6. Welchen Einfluss hat die Bewährungshilfe auf die soziale Reintegration von Straftätern?

von Maurice Vanstone (Professor Emeritus) Swansea University (UK)

Die Haftstrafe ist nicht darauf angelegt, Straftätern nachhaltigen Schaden zuzufügen. Jedoch handelt es sich um eine Massnahme, mit der das Justizsystem den Straftätern bewusst Schmerzen zufügt. Durch dieses Paradox entstehen die Hauptprobleme der Wiedereingliederung (oder, wie es manche nennen, der Rückkehr in die Gesellschaft).

Tatsächlich kann eine Inhaftierung zahlreiche nicht beabsichtigte Folgen haben und auch das machtvolle soziale Umfeld kann die Chancen einer erfolgreichen Wiedereingliederung mindern. Daraus folgt, dass der durch die Inhaftierung verursachten Schaden wie auch die Probleme, welche die Straftäter bei ihrer Inhaftierung bereits mitbringen, behoben werden müssen, wenn man sie dazu befähigen will, ein konstruktives, deliktfreies Leben zu führen und auch die Gesellschaft geschützt werden soll.

In den letzten fünfzig Jahren – wenn nicht länger – hat die Forschung in Skandinavien, Rumänien, Grossbritannien und den USA die zahlreichen Probleme identifiziert, mit denen Straftäter konfrontiert sind: Unterkunft, Arbeitslosigkeit, Ausbildung, familiäre Probleme, Suchtprobleme, psychische Probleme, Aggressionsbewältigung und eine schwach ausgebildete Problemlösungs- und Reflexionsorientierung. Darüber hinaus zeigen die Forschungsergebnisse, dass Straftäter, die einer ethnischen Minderheit angehören, sich zusätzlich mit dem Problem der Viktimisierung auseinandersetzen müssen, und dass Frauen darüber hinaus oftmals Gewalt in der Partnerschaft, sexuellen Missbrauch und soziale Isolation erleben und sich selbst Verletzungen zufügen.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts haben entsprechende politische Neuorientierungen (zuletzt in Rumänien) bestätigt, dass Hindernisse für die Wiedereingliederung unter anderem nur dann erfolgreich beseitigt werden können, wenn es möglich ist, die Beziehung zwischen dem inhaftierten Straftäter, seinen Angehörigen und der Gesellschaft zu stärken. Die Bewährungshilfe wird weltweit in all ihren verschiedenen Formen und Ausprägungen immer mit dieser Aufgabe assoziiert.

Welchen positiven Einfluss hat die Bewährungshilfe also auf die Wiedereingliederung? Kurz gesagt geben die Forschungsergebnisse hierauf keine klare Antwort: Wie bereits von Joan Petersilia erwähnt wurden bislang noch nicht genügend methodisch fundierte Studien durchgeführt, um diese Frage mit Sicherheit beantworten zu können.

Da die Probleme jedoch vielfältig sind und verschiedene gesellschaftliche, politische und organisatorische Faktoren eine Rolle spielen, hängt die erfolgreiche Wiedereingliederungsarbeit von der Zusammenarbeit vieler verschiedener Organisationen ab. Die Fragestellung muss also eher lauten, welchen Beitrag die Bewährungshilfe zum Wiedereingliederungsprozess in die Gesellschaft allgemein leistet. Unabhängig von den vorhandenen Unsicherheitsfaktoren erhellen die Forschungsergebnisse verschiedene Einzelaspekte, die für den Beitrag der Bewährungshilfe an der erfolgreichen Wiedereingliederung erfolgversprechend sind.

Untersuchungsergebnisse zeigen, dass dieser Beitrag noch durch weitere fundierte Forschungsergebnisse zu dem Thema, das heute als Desistance bezeichnet wird, untermauert werden muss. Die Bewährungshilfe sollte sich daher – gemeinsam mit weiteren Akteuren – auf die Probleme der Straffälligkeit sowie der Handlungsweisen und Einstellungen konzentrieren, die zur Inhaftierung führen, und einen von der inhaftierten Person initiierten Wandlungsprozess anregen und fördern, der folgende Aspekte und ihre Bedeutung berücksichtigt:

  • die Fähigkeit der betreuten Person, ihre persönlichen und praktischen Probleme tatsächlich zu bewältigen (denn Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass negative Reaktionen auf alltägliche Problemsituationen zu Rückfällen führen),
  • die spezifischen Bedürfnisse der betreuten Person (anstatt davon auszugehen, dass Straftäter alle dieselben Bedürfnisse haben),
  • den von den Angehörigen oder anderen der betreuten Person nahestehenden Menschen zu leistende Beitrag,
  • Strategien zur Rückfallprävention, und
  • angemessene Überweisung an weitere Organe, die bei der sozialen Wiedereingliederung unterstützen können.

Das Potenzial für die erfolgreiche Umsetzung der Wiedereingliederungsstrategie wird darüber hinaus noch vergrössert, wenn die Bewährungshelfer Vertrauen und Respekt herstellen können und wenn sie

  • in der professionellen Beziehung Kontinuität bieten,
  • die Arbeit mit der betreuten Person bereits vor ihrer Entlassung (z.B. noch im Gefängnis) aufnehmen,
  • die betreute Person durch ein kognitives Motivationsprogramm im Motivierungsprozess unterstützen,
  • der betreuten Person dabei helfen, breiter gefächerte und adaptive Fähigkeiten zu erwerben, und
  • die betreute Person ermutigen, durch die Übernahme von Verantwortung die Akzeptanz der Gemeinschaft für das eigene Verhalten zu erringen und dank eines Ansatzes, der sich auf die Stärken konzentriert und für die Mitglieder dieser Gemeinschaft greifbare und praktische Hilfestellungen bietet, für Wiedergutmachung zu sorgen (mit anderen Worten: wenn sie die Person ermutigen, sich eine prosoziale Identität anzueignen).

Die vorliegenden Forschungsergebnisse legen nahe, dass diese Unterstützungsarbeit durch eine Mentorin oder einen Mentor noch verstärkt werden kann.

7. Inwiefern beeinflusst die Bewährungshilfe die Wiedergutmachung des bei den Opfern und in der Gesellschaft verursachten Schadens?

von Leo Van Garsse Universiteit Gent (BE)

Wiedergutmachung
Erfahrungsgemäss empfinden Opfer das Versprechen der «Wiedergutmachung» oftmals als beleidigend. Dieses Ziel kann bei den Opfern den Eindruck erwecken, dass die von ihnen gemachte Erfahrung nicht ernst genommen wird. Vermutlich ist das einer der Gründe dafür, dass Opfer von schweren Straftaten Massnahmen der Wiedergutmachung zumindest anfänglich tendenziell ablehnen.

Eine Richtlinie des Europäischen Parlaments über die Rechte und den Schutz von Opfern von Straftaten stützt sich offensichtlich auf solche Erfahrungen. Sie stärkt das Recht der Opfer, Massnahmen zur Wiedergutmachung abzulehnen oder vor den Risiken, die solche Massnahmen mit sich bringen, geschützt zu werden, statt Zugang zu diesen Massnahmen zu erhalten. Mit dieser Schutzhaltung wird jedoch die wichtige Erkenntnis vernachlässigt, dass die Opfer mit steigender Schwere der Straftat immer stärker das Bedürfnis verspüren, sich gegenüber dem Ereignis und seiner Folgen aktiv neu zu positionieren. Hier geht es dem Opfer nicht darum, der passive Empfänger von Informationen oder Kompensationsmassnahmen zu sein, sondern darum, aktiv eine Position einnehmen zu können, die für den Straftäter, das Strafrechtssystem und die Gesellschaft von Bedeutung ist.

Einige Wissenschaftler – zu denen ich mich zähle – befürworten daher eine terminologische Veränderung: statt von Wiedergutmachung oder Wiederherstellung eines früheren Zustandes sollten wir von der «respektvollen Beteiligung» des Opfers bei der Geltendmachung des Rechts sprechen. Hierbei liegt der Fokus nicht mehr auf der autoritär durch eine staatliche Behörde erstellte Prognose eines gewünschten Ergebnisses, sondern vielmehr auf einem offenen, prozessorientierten Ansatz, der den Aufbau zivilgesellschaftlicher Fähigkeiten begünstigt. Die massgebliche Frage ist hierbei die nach der persönlichen Identität: Wie wurde ich im Verlaufe der Verarbeitung dieses Ereignisses wahrgenommen? Diese Reflexion zieht institutionelle und politische Konsequenzen nach sich: Der Staatsbürger sollte (unabhängig davon, ob es sich um ein Opfer, einen Straftäter oder einfach einen Mitbürger handelt) nicht nur ein Konsument seiner Rechte sein, sondern ein ernstzunehmender Mitwirkender, der zum sinnvollen Handeln des Justizsystems beiträgt.

«Opfer» und «Gemeinschaft»
Die Begriffe «Opfer» und «Gemeinschaft» werden häufig verwendet, sind aber nicht klar definiert. Der Begriff des Opfers kann allgemein definiert werden als «jede Person/Organisation, die wirtschaftlich, emotional, … von dem Ereignis betroffen ist». Diese weitgefasste Definition umfasst auch die Angehörigen der Straftäter sowie Nachbarn, Freunde, Schule, usw. Der Begriff des Opfers kann auch auf die Personen begrenzt werden, welche in einem bestimmten Fall von den Justizbehörden formell als betroffene Akteure anerkannt wurden.

Bei dieser eng gefassten Definition werden die Belange vieler Staatsbürger vernachlässigt oder als irrelevant erachtet, was dazu führt, dass sich der Prozess der Herstellung von Gerechtigkeit von der sozialen Realität entfernt. So kann eine weitreichende sekundäre Viktimisierung entstehen. Darüber hinaus können sich die «offiziellen Opfer» genötigt fühlen, «gute Opfer» sein und der Erwartung gerecht werden zu müssen, dass sie nicht nur materiellen Schaden erlitten haben, sondern auch moralisch unter Schock stehen. Insbesondere im Rahmen von geringfügigen Straftaten können Opfer die Aufgabe, ihre Opferrolle zu spielen, als Belastung empfinden: quasi als erzieherische Aufgabe gegenüber dem (jungen) Straftäter.

Das typisch angelsächsische Konzept der «Gemeinschaft» verliert in vielen sich verstädternden und immer stärker bürokratisierten multikulturellen Gesellschaften nach und nach seinen eigentlichen Sinn. Daher wirkt die Vorstellung von einer «Gemeinschaft, der Schaden zugefügt wurde und die eine Wiedergutmachung erfahren muss» wenig realitätsnah und wird oft als billige Rechtfertigung für staatliche Interventionsmassnahmen erachtet. Dies wird offensichtlich, wenn wir Diskussionen zu der Frage analysieren, welche Tätigkeiten als gemeinnützige Arbeit erachtet werden können. Hierbei werden oftmals ausschliesslich Tätigkeiten angeführt, die nur einigen wenigen Staatsbürgern Nutzen bringen. Sogar der Reinigung öffentlicher Parks – also eine häufig im Rahmen der gemeinnützigen Arbeit ausgeführten Tätigkeit – liegen zahlreiche Annahmen zugrunde und es wird nur sehr selten überprüft, inwiefern die Menschen den Wert und die Bedeutung dieser Arbeit als «Wiedergutmachung» empfinden.

Der Begriff der Bewährungshilfe
Solange die Bewährungshilfe als Umsetzung einer vermeintlich milden Strafe für geringfügige Straftaten gilt, die von jungen oder erstmals straffällig gewordenen erwachsenen Straftätern begangen wurden, muss sie als Gefallen wahrgenommen werden, bei dessen Gewährung weder die Opferperspektive noch die Verantwortung des Straftäters gegenüber der Gesellschaft ernst genommen werden.

Wenn der Straftäter verpflichtet wird, dem Opfer den verursachten materiellen Schaden zu ersetzen, ein Mediationsverfahren zu durchlaufen oder «etwas für die Gemeinschaft» zu tun, setzt dies unweigerlich voraus, dass das Opfer oder die Gemeinschaft Bedürfnisse und Erwartungen haben, die ihrer jeweiligen Rolle innerhalb dieses kontrollorientierten und ansatzweise auch erzieherischen Konzepts entsprechen.

In diesem Sinne sollten die für Bewährungshilfemassnahmen geeigneten Fälle nicht auf der Grundlage von rechtlichen Bestimmungen oder aufgrund einer durch Sachverständige getroffenen, verbindlichen Auswahl definiert werden, sondern durch Überprüfung der persönlichen und sozialen Motivation der durch die Straftat betroffenen Personen, d.h. der Opfer, der Straftäter und des sozialen Umfelds. Diese Vorgehensweise sollte auch bei den schwierigsten Fällen angewendet werden.

Abgesehen von ideologischen und anti-demokratischen Beweggründen gibt es in der Tat keinen Grund, all diese betroffenen Personen daran zu hindern, ihren konstruktiven Beitrag zur Wiedereingliederung des Straftäters in die gemeinsame Lebenswelt zu leisten. In dieser Hinsicht besteht der Wert der Bewährungshilfe nicht darin, «einfache» Lösungen anzubieten, sondern darin, weitreichende, herausfordernde menschliche und soziopolitische Veränderungen anzuregen, deren Endergebnis nicht mit Sicherheit vorhersehbar ist.

Bei dieser Herangehensweise wird die Bewährungshilfe nicht als ein Paket von Massnahmen angesehen, die alternativ zu einer «echten Bestrafung» angewendet werden können, sondern als Appel an die Gesellschaft zur Mitwirkung, wobei der gesetzmässige Schutz gewährleistet wird, die Öffentlichkeit zur Beteiligung aufgerufen ist und in der Praxis das, was „Ge-recht-igkeit“ in einer demokratischen Gesellschaft tatsächlich bedeutet, in einem ständigen Prozess immer wieder aufgebaut und neu konzipiert wird. In dieser Art von gerechtem Justizsystem bleibt Raum für Wiedergutmachung, die keine leichte Massnahme zur Reparation oder Rückzahlung des verursachten Schadens ist, sondern ein Prozess der Neupositionierung gegenüber der Straftat, seiner Folgen sowie seinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern.

Mit dieser psychologischen Herausforderung sind nicht nur die Straftäter und die Opfer konfrontiert. Wir erachten sie als sozialpädagogische Herausforderung – als Appell an das soziale Umfeld (zu dem auch die Opfer und Straftäter gehören), nicht nur seine Kompetenzen im Bereich der Verbrechensbekämpfung genau zu evaluieren und Schritt für Schritt zu erweitern, sondern auch konstruktiv dazu beizutragen, die gesellschaftlichen Regeln in einem demokratischen Rechtsstaat kontinuierlich neu zu definieren.

8. Wie erleben Straftäter die Überwachung?

von Ioan Durnescu Universität Bukarest (RU)

Die Überwachung von Straftätern hat bereits eine lange Tradition. Trotzdem gibt es nur eine sehr begrenzte Anzahl von Untersuchungen, die sich mit den subjektiven Erfahrungen der überwachten Straftäter befassen.

Es liegt auf der Hand, dass die Erfahrung, überwacht zu werden, von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Manche Erfahrungen hängen davon ab, wie die Massnahmen konzipiert sind. Die Konzeption von Überwachungsmassnahmen wird heutzutage immer ausgereifter und man greift immer stärker auf technische Mittel zurück. Ein gutes Beispiel hierfür ist die elektronische Überwachung (EM).

In manchen Ländern ist das Einverständnis der Straftäter mit bestimmten Überwachungsmassnahmen nicht mehr erforderlich (Bsp.: Community Order in England und Wales). In anderen Ländern hingegen sind Überwachungsmassnahmen mittlerweile an so viele Bedingungen und Verpflichtungen geknüpft, dass manche den Eindruck bekommen, die Überwachung gleiche bereits einem «virtuellen Gefängnis».

Auch die Art und Weise, wie die Umsetzung der Überwachungsmassnahmen in der Praxis gestaltet wird, beeinflusst die Erfahrung der Straftäter. Wird die Überwachungspraxis als begründet und transparent erachtet, dann sehen die Straftäter sie tendenziell als eine gute Gelegenheit, sich ein neues Leben aufzubauen und einen Gefängnisaufenthalt zu vermeiden. Wird die Massnahme darüber hinaus so erläutert, dass sie der Lösung von Problemen oder zur Deckung der sozialen Grundbedürfnisse von Straftätern dient, dann erachten die überwachten Personen sie als hilfreich. Das ist auch der Fall, wenn die Bewährungshelfer als vernünftig, offen, flexibel und vertrauenswürdig erlebt werden. Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein: Wenn Straftäter die Überwachung als Massnahme verstehen, bei der es an Verfahrensgerechtigkeit mangelt oder die zu intrusiv ist, wird sie als negativ empfunden.

Auch im Hinblick auf die elektronische Überwachung (EM) gibt es uneinheitliche Auffassungen. Manche Straftäter sehen diese Massnahme als willkommene Chance, die es ihnen ermöglicht, einen Gefängnisaufenthalt zu vermeiden und ein «fast normales Leben» führen zu können. Andere wiederum empfinden diese Massnahme als psychischen Druck, da sie Stress, Ängsten und Verlockungen ausgesetzt sind.

Das gleiche gilt im Übrigen auch für gemeinnützige Arbeit. Studien zufolge wird diese Massnahme von Straftätern in der Regel als lohnenswert geschätzt und sie haben den Eindruck, aus dieser Erfahrung einen persönlichen Gewinn ziehen zu können. Gleichzeitig liegen Untersuchungsergebnisse vor, die zeigen, dass es manche Straftäter sehr schwierig finden, sich längerfristig zu engagieren, und dass es ihnen schwerfällt, zu akzeptieren, dass sie einer unbezahlten Beschäftigung nachgehen sollen.

Ein Grossteil der Studien zur Erfahrung von Straftätern mit Überwachungsmassnahmen wurde offenbar mit nur einer begrenzten Anzahl an Probanden durchgeführt und beruht auf eingehenden Gesprächen mit den Straftätern. Es hat sich deutlich herauskristallisiert, dass in Zukunft weitere ethnografische Forschungsansätze entwickelt werden müssen, wenn die ganze Komplexität der Interaktion zwischen Straftätern und Betreuenden erfasst werden soll.

Glücklicherweise stellen sich die Forscher nun dieser Herausforderung, so dass wir künftig deutlich mehr darüber wissen werden, wie Menschen über ihre Überwachung denken, wie sie sie empfinden und inwiefern diese Massnahme die unmittelbar Betroffenen und ihr Umfeld beeinflusst.

9. Welche Auswirkungen hat gemeinnützige Arbeit?

von Gill McIvor University of Stirling (UK)

Im Rahmen der gemeinnützigen Arbeit müssen Straftäter eine vorgeschriebene Anzahl von unbezahlten Arbeitsstunden für die Gemeinschaft leisten. Hierbei handelt es sich um eine in westlichen Ländern gängige Strafe. Sie kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten innerhalb des strafrechtlichen Verfahrens zur Geltung kommen. Am häufigsten wird gemeinnützige Arbeit alternativ zur Haftstrafe oder als eigenständige Massnahme im Rahmen der Bewährungshilfe angewendet. In manchen Rechtssystemen können Straftäter zur Leistung von unbezahlten Arbeitsstunden verurteilt werden, um eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen nicht bezahlter Bussen oder eine Strafverfolgung zu vermeiden. Die Arbeitsstunden können für einzelne Begünstigte, für kommerzielle oder nicht kommerzielle Organisationen geleistet werden. Die Arbeit kann persönliche Dienstleistungen umfassen, besteht aber in der Regel aus praktischen Hilfstätigkeiten.

Die strafrechtlichen Ziele der gemeinnützigen Arbeit wurden bereits vielfach intensiv diskutiert. Die Bedeutung, die der Strafe, der Wiedergutmachung und der sozialen Wiedereingliederung beigemessen wird, variiert je nach Rechtssystem und verändert sich auch innerhalb der einzelnen Rechtssysteme mit der Zeit. Ein kürzlich durchgeführter Vergleich der gemeinnützigen Arbeit in europäischen Ländern hat gezeigt, dass der Aspekt der Vergeltung durch Erbringung unbezahlter Arbeit – z.B. durch Leistung von vorrangig harter, körperlicher und «sichtbarer» Arbeit – immer mehr an Bedeutung gewinnt, weil man sich erhofft, so den Rückhalt in der Öffentlichkeit und im Justizsystem zu fördern. Gemeinnützige Arbeit, die der sozialen Wiedereingliederung dienen soll, wird hingegen immer öfter nur dann eingesetzt, wenn eine Senkung der Rückfallquoten angestrebt wird.

Da die gemeinnützige Arbeit verschiedene Zielsetzungen verfolgt, können die Auswirkungen auf unterschiedliche Weise evaluiert werden. Praktisch gesehen kann die durch Straftäter erbrachte Arbeit finanziell bewertet und nach Stunden berechnet werden. So kann man zu dem Ergebnis kommen, dass sie oftmals greifbare Ergebnisse hervorbringt, wie z.B. Verbesserungen an lokalen Einrichtungen. Auf der persönlichen Ebene findet tagtäglich eine Interaktion zwischen den Menschen statt, welche die Arbeit leisten, und denen, die daraus einen Nutzen ziehen. Allerdings ist bislang wenig über die Art dieser Interaktionen bekannt und es kann nicht eingeschätzt werden, ob ihre Auswirkungen positiv oder negativ sind.

Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die Tatsache, dass Straftäter der lokalen Gemeinschaft etwas zurückgeben, einen potenziellen generativen und integrativen Nutzen mit sich bringt. So haben Untersuchungsergebnisse z.B. gezeigt, dass viele Straftäter die Möglichkeit schätzen, auf diese Weise neue Kompetenzen zu erwerben und Arbeit leisten zu können, die von den Nutzniessern geschätzt wird. Straftäter, die mit gemeinnütziger Arbeit positive Erfahrungen machen, werden weniger häufig rückfällig.

Gemeinnützige Arbeit kann auch einen integrativen Nutzen mit sich bringen: Straftäter können z.B. nach Erledigung der angeordneten gemeinnützigen Arbeit die Möglichkeit erhalten, weiterhin ehrenamtlich (oder manchmal auch gegen Bezahlung) für die Gemeindeorganisationen tätig zu sein.

Im Hinblick auf die Rückfallquoten liegen noch nicht genügend Daten vor. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass gemeinnützige Arbeit in diesem Kontext eine deutlich positivere Wirkung hat als freiheitsentziehende Massnahmen. Offizielle Daten aus Schottland zu diversen Kontrollvariablen zeigen, dass die Wiederverurteilungsrate bei Straftätern, die gemeinnützige Arbeit verrichteten, deutlich geringer ist als bei Straftätern, die eine Haftstrafe verbüssen mussten. Das gilt insbesondere für Straftäter mit umfangreichen strafrechtlich relevanten Erfahrungen.

Ergebnisse einer schweizerischen Studie zeigen, dass Straftäter, die in der Schweiz gemeinnützige Arbeit verrichteten – und insbesondere Straftäter, welche ihr Strafmass als angemessen erachteten–weniger häufig wiederverurteilt wurden, und eine Studie aus den Niederlanden legt dar, dass die Wiederverurteilungsrate für Eigentums- und Gewaltdelikte bei Straftätern, die gemeinnützige Arbeit leisteten, über einen Zeitraum von 8 Jahren niedrig war.

10. Welches Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielt die Bewährungshilfe?

von Faye S. Taxman George Mason University (USA)

Die Bewährungshilfe stellt ein Instrument für die Sanktionierung von Straftätern auf Gemeindeebene dar und kann auf drei unterschiedlichen Ebenen einen Nutzen entfalten: für den einzelnen Straftäter, für die Gemeinschaft und für die Justiz. Der einzelne Straftäter kann in der Gemeinde verbleiben und der Gesellschaft gegenüber Wiedergutmachung leisten. So kann er seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen, die z.B. darin besteht, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, seine Rolle als Familienmitglied zu erfüllen und Teil der Gemeinde zu sein. Die betreute Person kann darüber hinaus Unterstützung aus kommunalen Ressourcen erhalten, z.B. wegen Suchtmittelmissbrauch, psychischer Probleme, um eine Arbeitstätigkeit zu erhalten, usw. Dank dieser Unterstützung soll die betreute Person ihre Rolle als Mitbürger der Gesellschaft erfüllen können.

Die Bewährungshilfe stützt sich auf diese gemeinschaftlichen Ressourcen und kann ihren Beitrag zur Schaffung von in der Gemeinschaft verankerten Organisationen leisten, welche die allgemeinen Bedürfnisse der Gemeinschaft abdecken, so z.B. verhaltensmedizinische Dienste, Prävention von Bandenkriminalität, Dienste zur Rückfallprävention, Wohnhilfe und soziale Hilfsnetzwerke. Staatliche und nicht kommerzielle Gemeinschaftsorganisationen stellen wichtige Ressourcen für die Bewährungshilfe, aber auch für die betreuten Personen dar, die darin unterstützt werden, dank gemeinnütziger Arbeit der Gesellschaft gegenüber Wiedergutmachung zu leisten. Die Leistungen können auch dazu dienen, die betreuten Personen dabei zu unterstützen, nicht mehr Teil des Justizsystems zu sein.

Die Flexibilität der im Rahmen der Bewährungshilfe verhängten Sanktionen – die als eigenständige Massnahmen verhängt werden oder als Plattform dienen können, auf der einzelne Komponenten, die das kriminelle Verhalten beeinflussen und ein deliktfreies Leben fördern, miteinander kombiniert werden – ist ein zusätzlicher positiver Aspekt. Die betreute Person kann Dienst an der Gemeinschaft leisten, indem sie Bussen, (in manchen Rechtssystemen) Bewährungsgelder, Entschädigungen oder andere finanzielle Beiträge zahlt.

Das Justizwesen kann die Bewährungshilfemassnahmen zur Stärkung von Desistance-Zielen anordnen und dabei das Hauptaugenmerk auf die Bedingungen legen, die straftatfördernde Faktoren bekämpfen und den Straftäter dabei unterstützen, Widergutmachung zu leisten und neue Kompetenzen zu erwerben, die für die Gesellschaft von Nutzen sind (z.B. Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Kindererziehung, u.ä.).

Die Kosten der Bewährungshilfe sind so vielfältig wie ihr Nutzen. Der grösste Teil der Kosten sind Personalkosten für Bewährungshelfer und Mitarbeitende der Verwaltung sowie Büro- und Infrastrukturkosten. Bewährungshelfer sind jedoch günstiger als Gefängniszellen, denn hier fallen keine Kosten für 24-Stunden-Dienste oder Zellenbelegungen an. Jedoch kann eine Überlastung der Bewährungshelfer mit einer Vielzahl an Betreuungsfällen zu einer künstlichen Kostensenkung führen.

Je höher die Anzahl der pro Bewährungshelfer zu betreuenden Fälle, umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass effiziente Massnahmen nicht mehr umgesetzt werden können. Hierzu zählen z.B. Risikomanagement, die Entwicklung eines «Arbeitsbündnisses» (mit der zu betreuenden Person) mit dem Ziel des Aufbaus von Vertrauen und einem fairen Miteinander, die Fallbetreuung, die Überweisung an und Zusammenarbeit mit weiteren Organen sowie die Bereitstellung von Dienstleistungen. Bewährungshelfer können also viele Ziele erreichen, die mit einer Strafmassnahme verfolgt werden, wenn sie genügend Zeit haben, den kriminogenen Faktoren und den Bedürfnissen der betreuten Personen Rechnung zu tragen.

Weitere bewährungshilferelevante Kosten entstehen durch die Bereitstellung von Dienstleistungen im Hinblick auf Suchtmittelmissbrauch, psychische Probleme, die Erwerbstätigkeit sowie den Ausbildungsbedarf und weitere noch ungedeckte Bedürfnisse der betreuten Personen. Die Bewährungshilfekosten hängen vollumfänglich von den Fallzahlen ab, aber auch davon, wie stark der von Bewährungshelfern hergestellte Bezug zwischen den Straftätern und den gemeinschaftlichen Ressourcen und Dienstleistungen ist. In manchen Rechtssystemen werden die Kosten durch Einkünfte aus Zahlungen kompensiert, wie z.B. durch Bussen, Bewährungsgelder, Gebühren für Drogentests, Entschädigungen und andere gerichtliche Kosten.

Bewährungshilfemassnahmen sind Strafmassnahmen, die der Gemeinschaft Nutzen bringen können, ohne die Ressourcen des Systems zu stark zu strapazieren. Durch eine Übernutzung der Ressourcen und eine Überlastung der betreuten Person mit strafmassverschärfenden Bedingungen kann das System die Leistungsfähigkeit der Bewährungshilfe untergraben. Im Hinblick auf die zu erreichenden Ziele, die Durchführung der Massnahmen und den erreichbaren Nutzen ist die Bewährungshilfe flexibel. Zur Einschätzung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses muss jedoch eine genaue Analyse erfolgen, wie die Bewährungshilfemassnahmen und die definierten Ziele im jeweiligen Kontext operativ umgesetzt werden.