Von der Theorie zur Praxis – die Digitalstrategie 2030 wird zur Realität

Praxisentwicklung

Sarah Blum, Leiterin Digitalstrategie der Konferenz der kantonalen Leitenden Justizvollzug (KKLJV)

Vor gut einem Jahr wurde die Digitalstrategie Justizvollzug 2030 verabschiedet und zur Umsetzung freigegeben. Die von Politik und Amtsleitungen getragene Strategie verfolgt das ambitionierte Ziel, die digitale Transformation im Justizvollzug voranzutreiben. Hier mein Blick als Projektleiterin auf eine Digitalstrategie, die in der Praxis Realität wird. 

Digitalisierung als gemeinsame Aufgabe

Die digitale Transformation ist auch im Justizvollzug ein Dauerthema. Digitale Entwicklungen beeinflussen zum einen die eingesetzten Instrumente, Prozesse der Zusammenarbeit und unser Verhalten im Arbeitsalltag, zum Anderen tragen sie auch zur Wiedereingliederung der inhaftierten Personen bei. Die Kantone sind für die Umsetzung des Justizvollzugs zuständig und in ihrer Aufgabe souverän. Bei Fragen rund um die Digitalisierung ist ein Alleingang aber nicht sinnvoll. Um Austausch, Koordination und eine gemeinsame Vision im Bereich der digitalen Transformation zu fördern, verabschiedete die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) im April 2023 die Digitalstrategie. Die Konferenz der Kantonalen Leitenden Justizvollzug (KKLJV) wurde mit deren Umsetzung beauftragt – und ich als Leiterin der Digitalstrategie angestellt.

Handlungsfelder und Ziele

Die Digitalstrategie umfasst sechs Handlungsfelder: die Förderung des papierlosen Büros (1), die Schaffung von Smart Prison (2), das Zusammenführen und Vereinheitlichen von Daten (3) und die Garantie der digitalen Sicherheit (4). Dafür müssen die notwendigen Organisationen etabliert und gestärkt werden (5) und die rechtlichen Grundlagen geschaffen oder angepasst (6) werden. Jedes Jahr werden Massnahmenschwerpunkte gesetzt, die den Bedürfnissen der Kantone entsprechen und alle Handlungsfelder gleichermassen berücksichtigen. Die Schwerpunkte 2024 legte der ins Leben gerufene Digitalausschuss der KKLJV fest (4 Amtsleitende, Geschäftsleiterin KKLJV und ich). 

 

Übersicht Handlungsfelder und Ziele Digitalstrategie JuV 2030

Übersicht Handlungsfelder und Ziele Digitalstrategie JuV 2030

Unsere Arbeit: ein aktueller Stand und die nächsten Schritte

Entlang der für 2024 definierten Schwerpunkte konnten wir schon viele wichtige Arbeiten umsetzen. Das sind namentlich:  

Die Fachapplikationsstrategie:

Fachapplikationen sind technische Lösungen, mit denen die Dokumentation von Fällen und Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen (Einrichtungen des Freiheitsentzugs, Vollzugsbehörden usw.) dokumentiert werden. In der Schweiz werden vor allem drei Fachapplikationen in den Kantonen eingesetzt: Gina, Juris und Papillon. Einer der Hersteller dieser Fachapplikationen hat sein Produkt Ende 2023 an einen anderen Hersteller verkauft. Dadurch ist das Thema in den Fokus der Kantone gerückt. Verschiedene Fragen sind aufgetaucht:

  • Wer ist der neue Anbieter und wie geht es mit dem verkauften Produkt weiter?
  • Welche Alternativen zu den bestehenden Fachapplikationen gibt es?
  • Wie sollte sich die Fachapplikationslandschaft in der Schweiz aus einer gesamtschweizerischen Sicht entwickeln?
  • Worauf muss ein Kanton oder eine Institution bei der Beschaffung einer solchen Fachapplikation achten?

Die Fachapplikationsstrategie, die im Rahmen der Digitalstrategie erarbeitet wurde, beantwortet diese Fragen. Sie besteht aus zwei Teilen: einer Marktanalyse für Fachapplikationen in der Schweiz, die die Landschaft an Anbietern sichtbar macht. Im zweiten Teil befinden sich strategische Ansätze, um den interkantonalen Umgang mit Fachapplikationen zu fördern. Darin werden Empfehlungen und Erfolgsfaktoren für eine gelingende Arbeit mit Fachapplikationen formuliert.  

Die Plenarversammlung der KKLJV verabschiedete die Fachapplikationsstrategie im September 2024.  

Smart Prison

Smart Prison ist als Begriff noch nicht definiert, oft wird damit die Kommunikation, der Austausch oder die Digitalisierung der Prozesse zwischen inhaftierten Personen und Fachpersonen des Justizvollzugs verstanden. Da es verschiedene Varianten und Definitionen dieses Konzepts gibt, beschäftigt sich eine neu geschaffene Expertengruppe unter meiner Leitung damit, eine einheitliche Definition des Begriffs zu erarbeiten. Nur mit einem gemeinsamen Verständnis können später schweizweite Leitfäden und Best Practices für alle Kantone entwickelt werden. 

Basierend auf der Definition sollen Leitfäden, Sammlungen von Best Practices und Anbieterlisten erarbeitet werden. Aktuell haben wir noch keine fertigen Resultate, doch wir sind auf dem Weg dazu. 

 

Erstes Brainstorming zur Definition Smart Prison

Erstes Brainstorming zur Definition Smart Prison

Kantonale Roadmaps

In der Digitalstrategie 2030 gibt es eine übergeordnete nationale Roadmap, welche sich auf die Massnahmen in den einzelnen Handlungsfeldern bezieht. Die Kantone haben alle ihre eigenen Digitalisierungsprojekte. Mit dem Tool der kantonalen Roadmaps, das wir im Moment erarbeiten, sollen die kantonale und die nationale Planungsperspektive vereinheitlicht und zusammengeführt werden. 

Die nationale Roadmap zur Digitalstrategie formuliert die kollektive Vision für die Schweiz. Zudem listet sie nach Handlungsfeldern alle Projekte der interkantonalen und kantonalen Akteure auf, die sich mit der Digitalisierung beschäftigen. Die Beziehungen und Abhängigkeiten werden visuell dargestellt und ermöglichen so die Einordnung der einzelnen Projekte in einen übergeordneten Kontext.  

Die kantonalen Roadmaps haben Gabrielle Grandchamp (Mitarbeiterin Digitalstrategie KKLJV) und ich in einer ersten Version für alle Kantone und in Zusammenarbeit mit den lokalen Fachpersonen erstellt. Sie können von den Mitgliedern der KKLJV verwendet werden, um die Fortschritte zu kommunizieren, ihre Digitalisierungsprojekte zu verorten und zu planen. So können sie mögliche Synergien erkennen. Insgesamt erhalten alle einen besseren Überblick über die laufenden Aktivitäten. In einem nächsten Schritt werden wir die Roadmaps mit den Kantonen zusammen weiterentwickeln. 

eJVAkte und IS-JV 

In der Digitalstrategie 2030 sind zwei grosse und sehr wichtige nationale Projekte verankert. Diese Projekte werden durch HIS (Kompetenzzentrum für die digitale Transformation in der Strafjustiz) umgesetzt: 

 

Big Picture eJVAkte

Big Picture eJVAkte

Das Projekt eJVAkte (elektronische Justizvollzugsakte) soll die Insassen- und Vollzugsakten digitalisieren und den interkantonalen Austausch ermöglichen. Dazu brauchen wir eine IT-Lösung, welche mit unseren bestehenden Fachapplikationen zusammenarbeitet und uns die Akte in digitaler Form zugänglich macht. Die digitale Lösung muss die Möglichkeit bieten, die Akten zwischen den verschiedenen Akteuren (Bspw. Vollzugs- und Bewährungsdienst, Einrichtungen des Straf- und Massnahmenvollzugs, Anwälte, usw.) über die Kantonsgrenzen hinweg sicher auszutauschen.  

Ich wurde durch den Projektausschuss beauftragt, ein Coaching für das Projekt zu machen, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse und Anforderungen des Justizvollzugs in das Konzept einfliessen. Zudem stehe ich laufend mit den Kantonen im Kontakt und versuche ihre Fragen rund um das Projekt möglichst gut zu beantworten. Bald wird für die eJVAkte ein Gesamtprojektleiter bestimmt, der diese Rolle von mir übernehmen wird. 

Mit dem Projekt IS-JV (Informationssystem Justizvollzug) sind wir schon weiter. IS-JV hat zum Ziel, Justizvollzugsdaten bereitzustellen, die den Alltag der Einrichtungen, Vollzugsbehörden und Steuerungsorgane erleichtern. Das Projekt automatisiert die Kapazitäts- und Belegungsstatistik. Dies ist ein Mehrwert für alle, da ein händisches Abtippen entfällt. Eine eingebaute Personensuche soll es den Vollzugsbehörden und der Polizei erlauben, einfach und direkt herauszufinden, ob und wo eine bestimmte Person, die zur Verhaftung ausgeschrieben werden soll, bereits in Haft ist. Im Moment werden die Kantone und deren Systeme nach und nach an IS-JV angebunden. Die ersten Daten fliessen bereits und die Tests sind erfolgreich. In diesem Projekt bin ich daher nur in einer Steuerungsrolle als Teil des Projektausschusses tätig und ich kommuniziere gegenüber den Akteuren des Justizvollzugs.  

Wie weiter

Seit fast einem Jahr bin ich nun Leiterin der Digitalstrategie Justizvollzug 2030. Ich blicke auf ein ereignisreiches Jahr zurück, in dem die Strategie in den Kantonen angekommen ist. Nun gilt es, den Weg hin zu einem digitaleren Justizvollzug weiter zu verfolgen und dranzubleiben. Unser grösstes Potenzial liegt in den Mitarbeitenden, die sich mit Engagement einsetzen. Mit ihnen werden wir die kommenden Herausforderungen sicher meistern. Jeder Kanton bemüht sich stark und auf seine eigene Weise, die nächsten Schritte hin zur digitalen Transformation zu gehen. Die KKLJV unterstützt dabei - das finde ich äusserst inspirierend. Ich freue mich darauf, diese Arbeit auch 2025 fortzuführen.

Mehr erfahren

Zur Digitalisierungsstrategie KKLJV

Ein Interview zwischen dem SKJV und der Leiterin Digitalstrategie 

Kontaktaufnahme mit Sarah Blum: +41 31 320 11 56 sarah.blum@kkljv.ch

Das HIS-Programm: Harmonisierung der Informatik in der Strafjustiz