Bildungsbereich
Im Bildungsbereich konnten alle Leistungen in der gewohnten und von unseren Kundinnen und Kunden erwarteten Qualität erbracht werden: sowohl die Ausbildung in den Institutionen des Freiheitsentzugs als auch die Bildungsgefässe für die Mitarbeitenden des Justizvollzugs in Freiburg. Zusammen mit den Kursleitenden und in Zusammenarbeit mit den Institutionen wurde die Vermittlung von Handlungskompetenzen gestärkt. Erfolgreich verlief auch die Entwicklung der Projekte und die erfolgreiche Durchführung und Abwicklung der Prüfungen und Abschlussfeiern. Die gesamte administrative Arbeit hinter den Kulissen hat dazu einen wesentlichen Teil beigetragen. Insgesamt ist es im Berichtsjahr gelungen, mit unermüdlichem Einsatz und unter nicht immer einfachen Bedingungen qualitativ hochwertige Leistungen zu erbringen.
Das Jahr 2023 hat erneut gezeigt, wie wichtig es ist, neue Leistungen im Zusammenhang mit unserem Endziel zu erbringen: Menschen im Freiheitsentzug auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorzubereiten. Und dieses Ziel wird zugegebenermassen heute mehr denn je durch die digitale Transformation der Welt um uns herum vorangetrieben: Mit der Digitalstrategie JV 2030 (https://digitalstrategie.kkljv.ch/) verfügt das SKJV seit April 2023 über einen Referenzrahmen dafür. Seit Mai 2023 haben wir im Rahmen eines Pilotprojekts mit der Einführung von Tablets in den Institutionen begonnen, und ab August wurden neu Tablets in der Grundausbildung eingeführt. Dieser Paradigmenwechsel war und ist mit Ängsten und Unsicherheiten verbunden, aber der gesellschaftliche Wandel lässt sich nicht aufhalten, deshalb müssen wir Unsicherheiten ernst nehmen und Unterstützung anbieten. Viele andere Initiativen wurden ins Leben gerufen, um die Qualität unserer Leistungen zu steigern. Die Administration im Bildungsbereich befindet sich in einer Phase der Reorganisation, um 2024 in einem neuen Gewand zu erscheinen. Erklärtes Ziel ist es, Erfahrungen mit der Praxis auszutauschen, voneinander zu lernen und gemeinsam Kompetenzen zu entwickeln unter dem Bildungsmotto: «Zusammen werden wir zusammen besser»!
Grundausbildung
Insgesamt durften 157 Teilnehmende der Grundausbildung 2021 – 2023 im Sommer ihre Ausbildungsbestätigung entgegennehmen.
Für die Teilnehmenden dieser Grundausbildung wurden folgende, neue Angebote für die letzten zwei Ausbildungsblöcke konzipiert:
- Die Thematik der Begleitung von ausländisch inhaftierten Personen wurde durch den Einsatz eines Imams und einem Improvisationstheater mit professionellen Schauspielenden ergänzt und der Kurs «Resilienz» wurde von einem darauf spezialisierten Unternehmen, überarbeitet.
- Zum Abschluss der Ausbildung erfolgte eine allgemeine Rekapitulation der Lernthemen der Grundausbildung. In Zusammenarbeit mit der Prüfungskommission wurde auch eine schriftliche Testprüfung und eine praktische Testprüfung in Form eines Postenlaufs durchgeführt.
- Die digitale Gesprächsführung «Dialogue Trainer» mit Hilfe eines Avatars zum Thema «Suizidprävention» wurde auf Französisch und Italienisch im Unterricht getestet. Langfristiges Ziel ist es, dass dieser «Dialogue Trainer» einem breiten Zielpublikum zur Verfügung gestellt werden kann und die Fachleute für Justizvollzug sich darin üben, mit angepassten Fragen das Risiko des Suizids richtig einzuschätzen.
Im Jahr 2023 wurde auch ein erster Tag für Kursleitende organisiert, um sie für die Entwicklung der Grundbildung zu sensibilisieren und ihnen Instrumente an die Hand zu geben, mit denen sie auf eventuelles herausforderndes Verhalten von Teilnehmenden reagieren können.
Im Sommer starteten 178 Teilnehmende aus der ganzen Schweiz die Grundausbildung 2023 - 2025 mit zehn neuen Klassen im Präsenzunterricht in Freiburg. Sie erhielten erstmals ein iPad für den Unterricht. Von zehn Klassen werden ab 2023 sechs Klassen deutschsprachig und vier Klassen französisch-italienischsprachig geführt. Im Herbst 2023 kamen 169 Teilnehmende der Grundausbildung 2022-2024 für das zweite Ausbildungsjahr nach Freiburg.
Diese Teilnehmenden profitierten von folgenden Anpassungen in der Grundausbildung:
- Die Bereitstellung digitaler Lernangebote wurde ausgebaut: Alle Teilnehmenden der Grundausbildung erhielten neu Zugang zu webbasierten Lernangeboten und Quiz-Apps, die speziell für diese Ausbildung entwickelt wurden.
- Der Praxisbezug der Grundausbildung wurde weiter ausgebaut und es wurde mehr Zeit für Situationstrainings eingeplant. Ein Teil des Kurses «Kontrollen» wurde daher angepasst und enthält nun ebenfalls Praxis-Übungen.
- Für Analysen und praktische Übungen stehen aktualisierte und vertiefende Filme und Fotos zur Verfügung. Für den Kurs «Sozialpädagogische Alltagsgestaltung» wurden unter anderem Videos über das motivierende Gespräch gedreht. Für den Kurs «Dynamische Sicherheit» wurde eine neue Videoreihe über die Haltung und das Verhalten von Fachpersonen gedreht. In einer Übung für den Kurs «Beobachtung, Wahrnehmung und Rapporte» wurden realistische Fotos gezeigt. Damit wurde den Teilnehmenden die Möglichkeit gegeben, ihre Auseinandersetzung mit dem Thema anhand der alltäglichen Realität zu vertiefen.
Führungsausbildung
Im Januar 2023 starteten 18 Führungskräfte aus 18 verschiedenen Vollzugseinrichtungen der drei Konkordate die deutschsprachige Führungsausbildung FA23-24. Im Februar 2023 durften wir 16 Kader aus dem lateinischen Konkordat, darunter zum ersten Mal auch einen Vertreter der italienischen Schweiz, im französischsprachigen Lehrgang CAD23-24 begrüssen.
Interessiert und engagiert setzten sich die Teilnehmenden im Rahmen des ersten Moduls mit verschiedenen Führungsaufgaben und -werkzeugen auseinander. Sie analysierten ihr eigenes Führungsverhalten, verbesserten ihre Auftrittskompetenz, planten ein Projekt in ihrer Institution und erweiterten ihre Kenntnisse und Kompetenzen in den Bereichen Kommunikation, Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit und Prozessmanagement.
Auf Wunsch der Teilnehmenden wurde zusätzlich im Rahmen einer Online-Veranstaltung aufgezeigt, wie digitale Tools das Lernen und die Führungsarbeit unterstützen können.
Der Fokus des zweiten Moduls lag auf der Mitarbeiterführung. Nach einem Einstiegstag zu den rechtlichen Grundlagen standen die Themen Personalgewinnung, Einführung neuer Mitarbeitender, Mitarbeiter- und Teamentwicklung, Mitarbeitergespräche sowie das Gesundheitsmanagement auf dem Programm.
Ein oder mehrere Aspekte der Personalführung konnten anschliessend im Rahmen eines Führungspraktikums in einer anderen Institution vertieft werden. Hierfür planten die Teilnehmenden für eine Ausbildungskollegin oder -kollege ein Praktikumsprogramm, das ihnen Gespräche mit Personen verschiedener Hierarchiestufen, Sitzungsteilnahmen sowie ein Job- Shadowing ermöglichte.
Die 16 Teilnehmenden der Vorgängerlehrgangs (FA22-23) präsentierten zu Beginn ihres zweiten Ausbildungsjahres ihre wichtigsten Erkenntnisse aus den Praktika. Erstmals waren zu diesen Kurzpräsentationen neben den Mitarbeitenden des SKJV auch ihre Vorgesetzten eingeladen.
Während der beiden folgenden Module setzten sich die Teilnehmenden mit zentralen Aspekten und aktuellen Entwicklungen im Bereich der Sicherheit und Vollzugsalltagsgestaltung auseinander. Stärker als in den Vorjahren wurden auch die Anforderungen an die Untersuchungshaft beleuchtet und der entsprechende Modellversuch sowie die Empfehlungen der KKJPD thematisiert.
Den Teilnehmenden der Führungsausbildung steht neu auch ein Skript zum Thema Haftplatzbewirtschaftung zur Verfügung. Dieses verweist auf relevante Platzierungskriterien, die entsprechenden rechtlichen Grundlagen und zeigt erfolgsversprechende Praktiken auf.
Im November schloss die Klasse FA22-23 ihre Ausbildung ab. Dies war der erste Lehrgang seit der Revision der Führungsausbildung, der vollständig im Präsenzunterricht durchgeführt werden konnte. Dennoch profitierten auch diese Teilnehmenden von den Lehren und Entwicklungen aus der Pandemiezeit. So wurden beispielsweise Fachleute für kurze Inputs per Videokonferenz live in den Unterricht zugeschaltet und auch ein kranker Teilnehmer konnte von zu Hause aus aktiv am Unterricht und sogar an den Gruppenarbeiten teilnehmen.
Weiterbildung
Das Thema «Dynamische Sicherheit» war auch 2023 ein wichtiger Teil des Weiterbildungsangebotes. So wurde anfangs Jahr in Zusammenarbeit mit der UNODC die spanische Version des E-Learnings realisiert. Diese wird unterdessen in Panama für Schulungszwecke genutzt und steht auch auf der Website des SKJV zur Verfügung. Auch der Kanton Zürich hat beschlossen, sein gesamtes Personal in dynamischer Sicherheit zu schulen. Das SKJV organisierte 2023 für das Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung, JuWe, 20 zusätzliche Kurse vor Ort. Gleichzeitig erfreuten sich die Präsenzkurse zur dynamischen Sicherheit auch in der Westschweiz wachsender Beliebtheit.
Zum ersten Mal lancierte das SKJV 2023 ein Blended-Learning-Kursangebot zum Thema Konfliktmanagement. Dieses Angebot besteht aus einem Teil Selbststudium, in dem ein E-Learning bearbeitet wird, und einer Online-Sequenz, die dem ersten Kennenlernen und der Klärung von Fragen dient. Abgeschlossen wird das Kursangebot mit einem Präsenztag, an dem konkrete Fallbeispiele der Teilnehmenden bearbeitet werden.
Eine weitere Premiere durfte das SKJV im Oktober mit dem Testkurs «Cultures et Religions» erleben. In Zusammenarbeit mit dem Haus der Religionen in Bern wurde dieser eintägige Kurs entwickelt, der zum Ziel hat, mehr Sicherheit im Umgang mit inhaftierten Personen unterschiedlicher religiöser und kultureller Hintergründe zu gewinnen. Weitere Kurse sind für 2024 und 2025 geplant.
Teilnehmende des Testkurs «Cultures et Religions» im Haus der Religionen in Bern
Bildung im Strafvollzug BiSt
Im Jahr 2023 wurden wiederum zahlreiche BiSt-Bildungsplätze angeboten: Insgesamt wurden in 40 Einrichtungen des Freiheitsentzugs (15 in der Suisse romande und 25 in der Deutschschweiz) bzw. in 169 Lerngruppen monatlich bis zu 960 inhaftierte Personen pro Monat unterrichtet.
Lehrpersonen
57 Lehrpersonen unterrichteten 2023 für BiSt. Das Total der Stellenprozente stieg bis Ende Jahr auf 3380 %, die Bandbreite der Pensen reichte von 20% bis 100%.
Weiterbildungs- und Austauschtage für die Lehrpersonen
Nebst der individuellen Weiterbildung wurden je zwei regionale Austauschtage in der Deutschschweiz und in der Romandie, sowie drei nationale Austauschtage durchgeführt. Dabei stand die Digitalisierung als Thema im Fokus.
Angaben zu den BiSt-Bildungsteilnehmenden
- Total erhobene Bildungsteilnehmende 2023: 2469
- Geschlecht: 2269 Männer (= 91.9%) und 200 Frauen (= 8.1%)
- Durchschnittsalter = 36 Jahre; tiefstes Alter = 17 Jahre, höchstes Alter = 81 Jahre.
- Haftregime: Untersuchungshaft = 11.5%, vorzeitiger Vollzug = 22.6%, Normalvollzug = 49.5%, Massnahmenvollzug und Verwahrung = 7.3%, andere bzw. keine Angaben = 9.1%.
- Nationalität: total 109 Nationalitäten (inkl. CH), Anteil inhaftierter Personen aus der Schweiz = 21.1%, aus anderen Ländern = 78.9%.
- BiSt-Bildungsdauer in Monaten: Durchschnitt = 10.4 Monate; Maximum = 84 Monate, Minimum = 1-3 Wochen.
Neuorganisation der Fachstelle Bildung im Strafvollzug (BiSt)
Im Jahr 2023 bekam die Fachstelle BiSt viele neue Gesichter:
Drei neue Co-Regionalleiter und eine neue Co-Regionalleiterin
Zwei in Pension gegangene Regionalleiter wurden mit der Neuanstellung von vier Co-Regionalleitenden ersetzt. Zwei davon waren vorgängig bereits als BiSt-Lehrpersonen tätig. So werden nun auch die beiden BiSt-Regionen in der Deutschschweiz von einem Zweierteam betreut.
Gleichzeitig mit den Stellen der Regionalleitenden konnte auch die neu geschaffene Funktion «wissenschaftliche Mitarbeiterin BiSt» besetzt werden. Parallel dazu wechselten zwei bisherige BiSt-Mitarbeiterinnen in die Abteilungen Bildungsadministration bzw. Human Resources.
Neue Leiterin Bildung im Strafvollzug
Nachdem Daniel Benda die Fachstelle knapp ein Jahr erfolgreich ad interim geführt hatte, löste ihn Barbara Schürch im August 2023 als neue Fachstellenleiterin ab. Im November 2023 konnte schliesslich auch die Stelle «Projektleiter digitale Bildung im Strafvollzug» vergeben werden (Stellenantritt Januar 2024).
Bis Ende Jahr spielten sich bisherige und neue Mitarbeitende des BiSt-Fachstellenteams bestens aufeinander ein. Das Team mit nun neun Gesichtern wurde somit gut aufgestellt, um die kommenden Herausforderungen kompetent und professionell zu meistern.
Geschäftsstelle «Prüfungswesen»
Mit einer Kick-off-Sitzung im Haus der Religionen in Bern hat der Vorstand der Trägerschaft epjv Anfang Jahr den Arbeitsprozess an der strategischen Ausrichtung für die Leistungsperiode 2026 - 2029 aufgenommen.
Die Trägerschaft epjv konzentrierte sich während des Jahres auf ihr Kerngeschäft «Prüfungen» und führte Mitte März die höhere Fachprüfung und im August/September 2023 die Berufsprüfung durch:
- Im März nahmen 26 Kandidat:innen im Centre Loewenberg in Murten die höhere Fachprüfung unter Aufsicht der Qualitätssicherungskommission in Angriff. Am 14. Juni konnten die 22 frischgebackenen Führungsexpert:innen ihre eidgenössischen Diplome im Saal Grenette des Restaurants Punkt in Freiburg entgegennehmen und mit allen Gästen bei einem Apéro riche auf ihre Zukunft anstossen.
- Ende August bis Mitte September führte die Prüfungskommission die Berufsprüfung in der BCF-Arena in Freiburg und im Hotel Holiday Inn, Bern Westside durch. 175 Kandidat:innen traten zur Berufsprüfung an und 162 erfolgreiche Absolvent:innen feierten am 1. Dezember in der Aula der Universität Freiburg mit ihren Gästen den beruflichen Meilenstein mit dem Erhalt ihrer eidgenössischen Fachausweise als Fachfrau/Fachmann für Justizvollzug.
Erstmals organisierte die Trägerschaft epjv für ihre Mandatsträger:innen einen Vernetzungsanlass. Das Treffen in der JVA Lenzburg bot allen Akteur:innen eine gelungene Plattform, um sich über die Zusammenarbeit und die gemeinsame Ausrichtung auszutauschen.
Abschlussfeier 2023 der brevetierten Fachfrauen/Fachmänner für Justizvollzug, in der Aula der Universität Freiburg
Diplomfeier 2023 der diplomierten Führungsexpert:innen Justizvollzug im Saal Grenette in Freiburg
Geschäftsstelle Electronic Monitoring (EM)
Der Verein EM plante die Inbetriebnahme des neuen gesamtschweizerischen Systems per 1. Januar 2023.
Ein rund zweijähriges Beschwerdeverfahren konnte am 13. November 2023 abgeschlossen werden. Der Entscheid und damit die Vergabe an Buddi Ltd. wurde rechtskräftig. Damit konnte das Projekt wieder neu gestartet werden. Ziel ist es, dass die neue Technologie von Buddi. Ltd. bis zum 1. Januar 2025 vollständig in den Kantonen eingeführt ist.
Der Verein EM stellt für die KKJPD zudem die Koordination der Pilotprojekte im Anwendungsbereich Häusliche Gewalt sicher. Die Universität Bern wurde beauftragt, die Pilotprojekte wissenschaftlich zu begleiten und die Erkenntnisse den Kantonen anschliessend zur Verfügung zu stellen.
Gesundheitsmappe
Die Gesundheit im Freiheitsentzug ist ein Schwerpunktthema des SKJV. Gemeinsam mit Arbeitspartnerinnen und -partnern aus der Praxis wurden in den letzten Jahren verschiedene Unterlagen erarbeitet, die im Vollzugsalltag hilfreich sein können (z.B. Handbuch Psychiatrische Versorgung im Freiheitsentzug, Grundlagenpapier und Merkblätter zum Thema Medikation im Freiheitsentzug oder zur Eintrittsbefragung, E-Learnings). All diese Unterlagen sind nicht nur online auf unserer Website verfügbar, sondern auf Wunsch der Praxis neu auch gedruckt als ansprechend gestaltete Gesundheitsmappe, in den Sprachen Deutsch und Französisch erhältlich. Diese Mappe kann jederzeit bei uns bestellt werden.
Werkstattgespräch Forschung
Am 12. Juni 2023 lud das SKJV zum jährlichen Werkstattgespräch ein. Es hat zum Ziel den Austausch unter den Forschenden im Bereich Justizvollzug zu fördern. 20 Forschende aus der ganzen Schweiz berichteten in den Räumlichkeiten der Universität Bern über ihre aktuellen Forschungsprojekte und zukünftigen Forschungsvorhaben, die das gesamte Spektrum des Justizvollzugs abdecken. Neben den Präsentationen der Aktivitäten des SKJV bildete das Thema der Rückkehrorientierung von Personen im Freiheitsentzug ohne Bleiberecht in der Schweiz, einen Forschungsschwerpunkt. Der Umgang mit kritischen Ereignissen, die psychische Gesundheit, die Bedürfnisse von Kindern mit einem Elternteil im Freiheitsentzug und die Bedeutung der sozialen Arbeit im Justizvollzug wurden ebenfalls vorgestellt und diskutiert. Auf grosses Interesse stiessen auch die neuen Erkenntnisse einer Studie zu Genderfragen. Neben dem fachlichen Austausch bot das Werkstattgespräch die Gelegenheit das persönliche Netzwerk zu pflegen und zu erweitern.
Förderung von Projekten und Fachaustausch
Das SKJV unterstützt mit zwei Förderinstrumenten den Fachaustausch sowie die Entwicklung innovativer Projekte. Bei Bewilligung werden maximal zwei Beiträge bis höchstens CHF 8'000.- an die Antragsstellenden ausbezahlt. Gesuche zur Unterstützung können jeweils bis am 31. März oder 30. September eingereicht werden.
Folgende Projekte wurden im Jahr 2023 unterstützt:
- Verein Rechtsberatung im Freiheitsentzug RIF – Rechtsberatung für Menschen im Freiheitsentzug und ihre Angehörigen
- SHiPP – Swiss HepFree in Prisons Programme
- Commission latine de probation P/A Fondation vaudoise de probation -– L'approche de la désistance au sein du système de justice pénale en Suisse
Bewilligte Gesuche Fachaustausch 2023:
- Forum der Gesundheitsdienste des schweizerischen Justizvollzugs – 1. Pflege-Symposium im Strafvollzug und Forensik
- Bewährungshilfe St. Gallen – Romanshorner Tagung
- Institut für Delinquenz und Kriminalprävention der ZHAW – Fachtagung Sanktionenvollzug
- JVA Pöschwies und Ref. Landeskirche des Kantons Zürich – Berufliche Schweigepflicht in der Gefängnisseelsorge
- KSG – Jahrestagung der Konferenz der Schweizerischen Gefängnisärzte und des Forums der Gesundheitsdienste
- Vertretung in der Europäischen Konferenz zur Gesundheitsförderung in Haft – Äquivalenzprinzip im Faktencheck
Update Justizvollzug: Fachwissen und Best Practices aus dem In- und Ausland
Sowohl auf der Webseite wie auch per Newsletter veröffentlich das SKJV unter dem Titel «Update Justizvollzug» News, Fachdiskussionen und Inhalte, die die Praxis beschäftigen. 2023 haben wir uns zum Beispiel eine Sicherheitsübung im Gefängnis la Croisée in Orbe, im Kanton Waadt besucht. Wir stellten Erkenntnisse darüber vor, was es braucht, damit die Gesundheitsversorgung im Freiheitsentzug dem Kriterium der Chancengleichheit standhält. Neue Lösungen für die Überbelegung in den Institutionen des Freiheitsentzugs wurden ebenfalls in einem «Update Justizvollzug» diskutiert.
Auszug von Empfehlungen des CPT
Im Juni 2022 hat das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) den Bericht über seinen letzten Besuch in der Schweiz veröffentlicht. Im Rahmen dieses Besuchs untersuchte das CPT in sieben Kantonen die Behandlung inhaftierter Personen, die sich in Polizeigewahrsam, in Haftanstalten, in psychiatrischen Einrichtungen oder in Einrichtungen für die ausländerrechtliche Administrativhaft befanden. Die Berichte des CPT sind umfangreich, behandeln verschiedenste Themenbereiche und enthalten zahlreiche Empfehlungen.
In Kooperation mit dem Bundesamt für Justiz hat das SKJV 2023 einige wichtige Punkte des Berichts aufgenommen und in einem Dokument aufbereitet. Dieser Auszug aus den Empfehlungen richtet sich in erster Linie an die kantonalen Ämter des Justizvollzugs und knüpft an praxisnahe Aspekte an. Die Kernempfehlungen betreffen die Leibesvisitation, Isolierung, medizinische Betreuung, Haftbedingungen, Untersuchungshaft und Betreuung von Personen in einer institutionellen therapeutischen Massnahme oder Verwahrung. Jede Kernempfehlung verweist auf einschlägige Standards und Soft Law zur entsprechenden Thematik.
Expertengruppe Sicherheit und Schutz
In Zusammenarbeit mit der Konferenz der kantonalen Leitenden Justizvollzug (KKLJV) und Freiheitsentzug Schweiz (FES) wurde 2023 die Expertengruppe Sicherheit und Schutz gegründet. Sie dient als Anlaufstelle für die Praxis bei Fragen zu Sicherheits- und Schutzkonzepten im Justizvollzug. Zudem verwaltet sie die umfangreiche Dokumentensammlung des SKJV zu diesem Thema. Die Konzepte stehen den Praxisorganisationen auf Anfrage zur Verfügung.
Eine erste Rolle wird die Expertengruppe bei der Beratung des SKJV rund um das Handbuch Personendurchsuchung spielen (Erarbeitung bis Ende 2024). Dieses wird sowohl Informationen zu den wichtigsten Grundprinzipien als auch zu den grundlegenden Abläufen einer Personendurchsuchung enthalten. Die vermittelten Informationen können durch die Praxis umgesetzt und an die institutionellen Gegebenheiten angepasst werden. Sie werden auch in der Ausbildung des SKJV vermittelt, um Aktualität, Qualität und Kohärenz in diesem wichtigen Themenbereich zu gewährleisten.
Das SKJV besuchte die Kantone
Um die praxisnahen Erfahrungen der Kantone mit den durch das SKJV erbrachten Leistungen abzuholen, besuchte Patrick Cotti, Direktor des SKJV, im Verlaufe des Jahres 2022 und anfangs 2023 gesamthaft 21 Amtsleitende der Kantone. Der Austausch erfolgte anhand eines strukturierten Leitfadens.
Die teilweise sehr unterschiedlichen Rückmeldungen – je nach Grösse der Kantone und Justizvollzugsorganisationen sowie der kulturellen, föderalistisch geprägten Gegebenheiten – wurden zuhanden der Konferenz der Amtsleitenden der Kantone zusammengefasst. Für die nächsten Entwicklungsschritte der Dienstleistungen des SKJV sollen vier Themenfelder fokussiert werden:
Vier Themenfelder definiert
- Stärkere Vernetzung der Bildungsangebote vor Ort in der Praxis mit den Bildungsangeboten des SKJV;
- Kreierung neuer Formate für die Weiterbildung und den Fachaustausch der Mitarbeitenden im Justizvollzug;
- Weiterentwicklung der Bildungsangebote für inhaftierte Personen mit den neuen digitalen Möglichkeiten einer Wissens- und Lernplattform («smartPrison») und zahlenmässige Erweiterung der Anspruchsgruppe;
- Vertiefung des Monitorings und strategischen Planungshilfen für die Führungsverantwortlichen.
Die Kantone wie auch die Mitarbeitenden des SKJV unterstützen gemeinsam die enge Verbindung zwischen der Praxis vor Ort und den Bildungs- und Wissensplattformen des SKJV. Das gemeinsame Ziel ist, einen modernen und zielgerichteten Justizvollzug anbieten zu können.
Netzwerke
Die Pflege und der Ausbau der bestehenden nationalen und internationalen Partnerschaften sind sowohl für die Aktualität des Bildungsangebotes als auch für den interprofessionellen Fachaustausch zentral. In diesem Sinne hat das SKJV im Jahr 2023 verschiedene Kontakte intensiviert:
Kontakte in ganz Europa gepflegt
Neben der Jahresversammlung der EPTA (European Penitentiary Training Academies) fanden verschiedene Kontakte und Treffen mit den Kolleginnen und Kollegen im deutschsprachigen Ausland (Deutschland und Österreich) statt. Insbesondere konnte durch das SKJV ein Besuch bei der ENAP (Ecole Nationale d'Administration Pénitentiaire) in Frankreich gemeinsam mit einer Delegation des Westschweizer Strafvollzugskonkordates organisiert werden, um die Zusammenarbeit weiter zu festigen. Ausserdem nahm das SKJV auf Einladung des französischen Justizvollzugs im Herbst an einer internationalen Tagung in Südfrankreich zum Thema Gewalt gegen Mitarbeitende und inhaftierte Personen mit einem Co-Referat über die Bedeutung des Konzepts der dynamischen Sicherheit für die Gewaltprävention teil.
Das SKJV beteiligte sich aktiv am 3. Justizvollzugsforschungssymposium, das von EuroPris (European Organisation of Prison and Correctional Services) und der ICPA (International Corrections & Prison Association) organisiert wurde, und konnte das SKJV-Projekt über ausländische Personen ohne Bleiberecht vorstellen, das auf breites Interesse stiess. Weitere Höhepunkte waren die Teilnahme am Sommerkurs der CJPE (Criminal Justice Platform Europe) in Barcelona zur psychischen Gesundheit im Justizvollzug (das erste von EuroPris organisierte Treffen der sogenannten «Liaison Officers», welches in Dublin stattfand und für die Mitgliedländer organisiert wurde), oder die Teilnahme an einem EuroPris-Webinar zu Soft Law, an welchem das SKJV die neue Soft Law-Übersicht vorstellen durfte.
Zusammenarbeit mit Organisationen in der Schweiz
In der Schweiz unterstützte das SKJV die Durchführung der 12. Europäischen Konferenz zur Gesundheitsförderung in Haft, in Kooperation mit der Konferenz der Schweizerischen Gefängnisärzte KSG zum Äquivalenzprinzip in Haft, welche gleichzeitig zur laufenden Vernehmlassung des Bundes zur Ausweitung des KVG-Obligatoriums (inhaftierte Personen ohne Krankenversicherung) stattgefunden hat. Die Zusammenarbeit mit dem Haus der Religionen konnte vertieft werden mit dem Ziel, Weiterbildungskurse zum Umgang mit Interkulturalität im Justizvollzug anbieten zu können.
Die Schweizer Delegation zu Besuch bei ENAP in Frankreich, 27.11.2023
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